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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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gesagt, dass ich das Kommando der Jenny abgeben will?«
    » Nun, nein, Jack, aber wir haben alle angenommen …«
    » Zur Hölle mit euren Annahmen. Treib sie zusammen und schaff sie an Bord.«
    Skanks verdutztes Stirnrunzeln wurde zu einem Lächeln. » Sicher … Käpten.« Er drehte sich um und eilte davon, und seine nackten Füße wirbelten weißen Sand auf.
    Shandy war gerade zu einem auf den Strand gezogenen Ruderboot gelaufen und wollte es ins Wasser ziehen, als ihm einfiel, wo er von den Kariben gehört hatte. Der verrückte alte Gouverneur Sawney hatte sie erwähnt, in der Nacht, bevor die Carmichael und die Jenny zu dem Treffen mit Schwarzbart in Florida ausgelaufen waren. Was hatte der alte Mann noch gleich gesagt? Etwas in dem Sinne, dass er zu seiner Zeit seinen Anteil an karibischen Indianern getötet habe.
    Shandy hielt inne, um nachdenklich zum Winkel der Siedlung hinaufzuspähen, wo der seltsame alte Mann sein kleines Zelt aufgeschlagen hatte. Nein, sagte er sich, während er seinen Kampf mit dem schweren Boot wieder aufnahm – Sawney ist alt, aber er ist nicht zweihundert.
    Doch Shandy hielt einen Moment später wieder inne, denn ihm war noch etwas eingefallen. » Wenn Ihr zu diesem Geysir kommt«, hatte der alte Mann gesagt. Der Jungbrunnen war eine Art Geysir gewesen. Und als Shandy seine erste Marionettenvorstellung gegeben und Sawney sie mit seinem Geschwafel unterbrochen hatte, hatte er da nicht gesagt: » Gesichter in der Gischt … Almas de los perditos …«? Gesichter in der Gischt, Seelen der Verdammten …
    War Sawney einmal dort gewesen?
    Wenn ja, war er vielleicht mehr als zweihundert Jahre alt. Es wäre nicht wirklich überraschend. Obwohl es dann merkwürdig war, dass sein Zustand sich so verschlechtert hatte. Ich frage mich, dachte Shandy, als er sich wieder dem Boot zugewendet hatte, was er falsch gemacht hat.
    Noch einmal hielt er inne. Nun, wenn es etwas gab, überlegte er, irgendeinen Effekt, der aus einem Zauberer einen faselnden Idioten machen kann, aus einem Zauberer, der mächtig genug gewesen war, um zum Erebus zu gelangen und sich ein oder zwei Jahrhunderte zusätzlicher Lebenszeit zu erkaufen, dann ist es etwas, was ich verdammt noch mal wissen sollte – falls ich diesmal mehr tun will, als mich nur ins Meer werfen zu lassen.
    Langsam zuerst, dann schneller, als ihm andere verwirrende Dinge an dem alten Sawney einfielen – sein fehlerloses, aber archaisches Spanisch, sein Geschick im Umgang mit Magie –, stieg Shandy den Hang hinauf zu den Zelten.
    » Hast du heute schon den Gouverneur gesehen?«, fragte er einen hageren alten Ex-Piraten. » Ich meine Sawney – nicht Rogers.«
    Shandy lächelte und hatte versucht, einen beiläufigen Tonfall anzuschlagen, aber der Mann hatte das Ende seines Gespräches mit dem jungen Offizier mit angehört, und er trat zurück und hob besänftigend die Hände, als er antwortete. » Sicher, Jack, er ist in seinem Zelt, oben an der Bucht. Immer mit der Ruhe, hm?«
    Ohne auf das Gemurmel und das Kopfschütteln in seinem Kielwasser zu achten, sprintete Shandy durch den Sand, übersprang eine alte Kochgrube und lief auf die Bucht zu, wo er vor einem halben Jahr mitgeholfen hatte, die Carmichael wieder seetüchtig zu machen. Er hielt inne, um zu grinsen und wieder zu Atem zu kommen, als er den alten Sawney in geduckter Haltung vor dem Segeltuchzelt sitzen sah, in dem er jetzt lebte. Der Alte nahm abwechselnd Schlucke aus seiner halbvollen Flasche Rum und spähte dann wieder eindringlich hinein.
    Der alte Mann trug eine ausgebeulte, leuchtend gelbe Hose und eine bestickte Seidenjacke, und wenn er eine Art Halstuch trug, so war es verborgen unter seinem wirren Bart, der die Farbe von alten, ausgebleichten Knochen hatte.
    Shandy trottete den Hang hinunter und setzte sich neben ihn. » Ich würde gern mit Euch reden, Gouverneur.«
    » Ah?« Sawney blinzelte ihn an. » Du hast doch nicht wieder Fieber, oder? Halt dich fern von diesen Hühnern.«
    » Nein, Gouverneur. Ich will etwas wissen … über Bocors, Magier. Vor allem über solche, die beim Jungbrunnen gewesen sind.«
    Sawney gönnte sich noch einen tiefen Zug aus der Flasche und spähte anschließend hinein, als gebe es darin etwas zu entdecken. » Hier laufen viele Bocors herum. Ich bin keiner.«
    » Aber Ihr wißt, was ich mit dem Jungbrunnen meine? Dem … Geysir?«
    Die Reaktion des Alten bestand darin, den Alkohol in der Flasche herumschwappen zu lassen und mit hoher, brüchiger Stimme

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