In fremderen Gezeiten
zuckende Flamme der Lampe war nun die einzige Beleuchtung des Raumes.
Shandy nahm eine Handvoll Seewasser und schüttete es über Hurwoods geschlossene Augen. Der alte Mann runzelte schwach die Stirn, aber das war alles. » Gottverdammt«, stieß Shandy beinahe schluchzend hervor, » zwingt mich nicht!« Er packte Hurwood am Ohr und drehte es grimmig … ohne irgendeine Wirkung zu erzielen. Ebenso entsetzt wie erzürnt stand Shandy auf, schob die Lampe mit dem Fuß beiseite, hob dann den Eimer an und kippte Hurwood den gesamten Inhalt über den Kopf. Die Wassermasse drehte das Gesicht des alten Mannes zur Seite und klebte ihm das weiße Haar wie eine Krone an den Kopf, aber die Atmung blieb so stetig wie zuvor und nicht einmal ein Würgen war zu hören.
Shandy, der jetzt wirklich schluchzte, wandte sich ab und griff nach der Lampe … und dann hauchte er ein Gebet des Dankes, als er hinter sich ein Spucken und Stöhnen hörte.
Er hockte sich neben Hurwood. » Wacht auf«, sagte er drängend. » Ihr werdet niemals einen besseren Rat bekommen.«
Hurwoods Augen öffneten sich. » Ich bin … verletzt«, sagte er leise.
» Ja.« Shandy strich sich die Tränen aus den Augen, um den alten Mann deutlicher sehen zu können. » Aber Ihr werdet es wahrscheinlich überleben. Ihr habt es schon einmal überlebt. Wo ist Beth, Elizabeth, Eure Tochter?«
» Oh … es ist alles vorüber, nicht wahr? Alles erledigt jetzt.« Er sah Shandy in die Augen. » Ihr! Ihr habt es zerstört … Margarets Kopf … ich konnte spüren, wie ihr Geist aus dem Kopf gewichen ist. Ein bloßes Schwert!« Seine Stimme war sanft, als erörtere er Ereignisse in einem Stück, das sie beide gesehen hatten. » Nicht nur weil es kaltes Eisen war …?«
» Und verbunden mit meinem Blut. Ja.« Shandy versuchte, Hurwoods stillen, beiläufigen Tonfall nachzuahmen. » Wo habt Ihr Eure Tochter versteckt?«
» Jamaika, in Spanish Town.«
» Ah!« Shandy nickte und lächelte. » Wo in Spanish Town?«
» Hübsches Haus. Sie sitzt dort fest, als Gefangene. Aber in allem Luxus.«
» Wessen Haus?«
» Ähm … Joshua Hicks.« Hurwood wirkte kindlich stolz darauf, dass er in der Lage war, sich an den Namen zu erinnern.
Shandys Schultern sackten vor Erleichterung herunter.
» Habt Ihr irgendwelche Pralinen?«, erkundigte Hurwood sich höflich. » Ich habe keine.«
» Ähm, nein.« Shandy stand auf. » Wir können in Jamaika welche für Euch besorgen.«
» Wir fahren nach Jamaika?«
» Da habt Ihr verdammt recht. Sobald wir dieses alte Ding ein wenig flott gemacht haben. Wir können es uns leisten, uns ein wenig zu entspannen, jetzt, da ich weiß, wo sie ist. Beth wird noch ein oder zwei Tage durchhalten, während wir einige Reparaturen vornehmen.«
» Oh, aye. Hicks wird sich sehr gut um sie kümmern. Ich habe ihm die strengsten Anweisungen erteilt und ihm eine Krankenschwester gegeben, um sicherzustellen, dass er alles richtig macht.«
Eine Krankenschwester, wunderte sich Shandy. Er konnte sich nicht recht vorstellen, wie eine Krankenschwester ein Mitglied der begüterten Oberschicht herumkommandierte. » Also schön. Wir werden …«
» Übrigens, welchen Tag haben wir heute?«
» Heilig Abend.« Wieso konnte er das nicht an der festlichen Stimmung aller hier an Bord erkennen, ging ihm durch den Kopf.
» Vielleicht sollte ich ihm morgen zuwinken.«
Shandy, der immer noch vor Erleichterung lächelte, legte den Kopf schräg. » Wem zuwinken?«
» Hicks. Er wird auf einem Kliff am Portland Point sein, morgen bei Tagesanbruch, mit einem Teleskop.« Hurwood kicherte. » Ihm gefällt die Idee nicht – er gibt morgen Abend eine große Gesellschaft, und er wäre viel lieber daheim, um sich darauf vorzubereiten – aber er wird dort sein. Er fürchtet mich. Ich habe ihm aufgetragen, nach diesem Schiff Ausschau zu halten und sicherzustellen, dass er mich draußen auf Deck sieht, wie ich ihm zuwinke.«
» Wir werden morgen bei Tagesanbruch nicht einmal in der Nähe von Jamaika sein«, erwiderte Shandy. » Ich denke nicht, dass dieses Schiff es schaffen könnte.«
» Oh.« Hurwood schloss die Augen. » Dann werde ich ihm nicht zuwinken.«
Shandy wollte gerade gehen, aber jetzt hielt er inne und schaute auf den alten Mann hinab. » Warum wolltet ihr ihm zuwinken? Warum wird er dort draußen sein und Ausschau halten?«
» Ich will jetzt schlafen.«
» Sagt es mir.« Shandys Blick wanderte zu der Laterne und wieder zurück. » Oder es gibt keine
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