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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Boot aussetzen, um an Land nach Nachzüglern zu suchen?
    Ganz in der Nähe kicherte jemand, und sie zuckte zusammen und unterdrückte einen Schrei.
    Leo Friend trat aus dem Schatten einiger Rotahorne hervor. » Macht Ihr einen Spaziergang, meine El-el-el-elizabeth?« Seine Augen schienen, wie sie bemerkte, zu viel Weiß um die Iris herum zu zeigen, und über sein Gesicht flackerte immer wieder ein Lächeln, so geschwind und unregelmäßig, wie eine Fahne im Wind flatterte.
    » Ähm, ja«, antwortete sie und fragte sich verzweifelt, wie sie ihn loswerden konnte. » Was denkt Ihr, was für ein Segel ist das?«
    » Es spielt keine Rolle«, erwiderte Friend. Seine Stimme war heute Abend schriller als gewöhnlich. » Die Royal Navy, rivalisierende Piraten – es ist zu spät, als das irgendjemand uns noch aufhalten könnte.« Das Lächeln ließ seine dicken Lippen zucken und verschwand wieder. » Und m-m-morgen werden w-w-wir – werden wi-wi-wir von h-h- … verdammt … hier a-a-absegeln.« Er zog ein Spitzentaschentuch aus dem Ärmel und tupfte sich die Stirn ab. » In der Zwischenzeit werde ich Euch begleiten.«
    » Ich gehe hinunter zu den Feuern, um festzustellen, was los ist«, entgegnete sie, wohl wissend, dass es dem dicken Arzt seit der Erschießung Davies’ trotz seiner verschiedenen Schutzzauber widerstrebt hatte, sich zu den Piraten zu gesellen.
    » Euer Freibeuter-l-liebster ist tot, Elizabeth«, bluffte Friend, und seine Munterkeit war wie weggeblasen, » und ich denke, es zeigt zumindest einen Mangel an Fantasie, seinen Nach-n-n-nachfolger aus demselben Topf zu wählen.«
    Beth ignorierte ihn und begann, hügelabwärts zu gehen. Zu ihrer Bestürzung hörte sie, dass Friend ihr folgte. Wie um alles in der Welt, fragte sie sich hektisch, kann ich ihn loswerden und die Verabredung mit Bonnett einhalten?
    Ein Mann auf der vor Anker liegenden Carmichael rief etwas, dass Beth nicht verstand, aber die Nachricht wurde von den Männern am Strand wiederholt. » Es ist die verdammte Jenny!«, erklang ein staunender Ruf. » Die Jenny ist der Navy entkommen!«
    Ohne klaren Übergang wurde die panische Ruderpartie der Piraten zu einer wilden Feier. Auf der Carmichael und auf der Revenge – wenn auch nicht auf Schwarzbarts Schiff – wurden die Schiffsglocken geläutet, Musketen wurden in den dunklen Abendhimmel gefeuert, und die Musikanten der verschiedenen Schiffe griffen hastig nach ihren Instrumenten und begannen zu spielen.
    Jetzt recht froh, dass es kein Schiff der Navy war, beschleunigte Beth Hurwood ihren Schritt. Friend dagegen, als er sah, dass ihr dieses Schiff keine Möglichkeit zur Flucht bot, drosselte verdrießlich sein Tempo.
    Da die Jenny viel geringeren Tiefgang hatte als die drei größeren Schiffe, konnte sie bis dicht ans Ufer kreuzen, bevor sie Anker warf – das Rasseln der Kette ging im allgemeinen Aufruhr unter –, und einige der Männer an Bord warteten nicht erst auf die Boote, sondern sprangen vom Bug kopfüber ins Wasser und vertrauten tollkühn darauf, dass der Schwung und der günstige Winkel ihrer Sprünge sie bis in hüfttiefes Wasser bringen würden. Einige konnten tatsächlich schwimmen und nutzten die Gelegenheit, mit ihrer exotischen Fähigkeit zu prahlen, indem sie in Kreisen herumpaddelten, spritzten und Wasser ausbliesen wie Delfine, bevor sie mit betont lässigen Zügen zum Ufer schwammen.
    Doch einer von ihnen sprang einfach hinein und kraulte schnell und unprätentiös an den Strand, und er war der Erste, der im flachen Wasser aufstand und durch die auslaufenden Wellen auf den Strand watete.
    » Gepriesen seien die Heiligen!«, rief einer der Männer, die an Land wateten. » Der Koch hat überlebt!«
    » Hau uns ein Essen zusammen, Shandy«, rief ein anderer, » bevor die Kapitäne landeinwärts aufbrechen!«
    Unterdessen waren einige weitere Matrosen ans Ufer gekommen und die eigentliche Ausschiffung mittels der Beiboote war in vollem Gange. Jack Shandy gelang es, dem schlimmsten Gedränge der Begrüßung zu entgehen. Er schaute sich um und versuchte offenkundig seine Nachtsicht nicht zu ruinieren, indem er vermied, direkt in die Feuer zu blicken. Dann malte sich auf sein dunkles, bärtiges Gesicht ein breites Lächeln, als er die schlanke Gestalt von Beth Hurwood entdeckte, die gerade jetzt auf die zentrale Lichtung kam.
    Sie eilte über den Sand auf ihn zu, noch während er ihr unsicher entgegenlief, und als sie sich trafen, schien es ihr nur natürlich zu sein, die Arme

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