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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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um seinen Hals zu schlingen.
    » Alle haben mir gesagt, ihr wäret bis auf den letzten Mann getötet worden – von dieser letzten Breitseite«, stieß sie hervor.
    » Viele von uns sind umgekommen«, sagte er. » Hör zu, ich habe während der letzten fünf Tage viel mit Davies geredet, und …«
    » Nein, hör du zu. Stede Bonnett und ich werden heute Nacht ein Boot stehlen und fliehen, und ich bin mir sicher, dass für dich noch genug Platz an Bord sein wird. Die Ankunft der Jenny wird die Flucht ein wenig hinauszögern, schätze ich, aber sie sollte gleichzeitig eine schöne Ablenkung bieten. Also, folgendes musst du tun – verweile eine gewisse Zeit am Strand, bis Bonnett ein Boot auswählen kann, und dann halte nach mir Ausschau. Ich werde …«
    » Shandy!«, erklang ein Brüllen von der Menge am Feuer.
    » Jack! Wo zur Hölle bleibst du?«
    » Verdammt«, sagte Shandy. » Ich werde gleich zurück sein.« Er schritt von ihr weg auf die Menge zu.
    » Da ist er!«, rief Davies. » Gentlemen, darf ich euch meinen neuen Quartiermeister vorstellen!« Der Applaus, der dieser Ankündigung folgte, war dürftig, aber Davies fuhr dessen ungeachtet fort. » Ich weiß – ihr alle denkt, er verstehe sich am besten aufs Kochen und die Marionetten, und das dachte ich ebenfalls, aber es zeigt sich, dass seine wirklichen Werte von ganz anderem Kaliber sind: Mut und Verschlagenheit und eine schnelle, ruhige Hand mit der Pistole. Wollt ihr wissen, wie wir diesem Kriegsschiff entkommen sind?«
    Die Piraten gaben lautstark zu verstehen, dass sie es sofort hören wollten. Am Rand der Menge machte Beth Hurwood mehrere langsame Schritte rückwärts und ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Shandy schaute sich über die Schulter nach ihr um; offensichtlich wollte er wieder zu ihr hinübergehen und ihr etwas sagen, aber ein Dutzend Hände, und sogar ein oder zwei ermutigende Stiefel stießen ihn auf Davies und die flache Lichtung zwischen den Feuern zu. Der hagere alte Piratenkapitän grinste ihn an. Davies wirkte noch ausgemergelter als sonst, aber seine Schulter war wiederhergestellt, und keiner der Verwundeten der Jenny hatte ein Fieber entwickelt. Das war sein Verdienst – denn alles Fluchen über den Verlust ihres Bocors hatte nichts genützt, es war dem Kapitän nichts anderes übrig geblieben, als selbst die Ausrüstung des toten Bocors zu übernehmen und es irgendwie zu schaffen, Mate Care-for wachzurütteln und bis zu einem gewissen Maß die Aufmerksamkeit dieses Wesens auf die Schaluppe zu lenken.
    » Nachdem ich von der Carmichael geschossen wurde«, verkündete Davies laut, » ein Umstand, über den ich gleich mit gewissen Anwesenden sprechen werde, haben mich die Jungs von des Königs Schiff aus dem Wasser gefischt und an Bord ihres Schiffes geholt. Sie hatten die Jenny zusammengeschossen und längsseits genommen und all deren Überlebende unter schwerer Bewachung auf ihrem Hauptdeck versammelt – bis auf unseren Jungen hier, Shandy, der dem Kapitän gesagt hatte: ›Oh meiner Treu, Sir, ich bin keiner von diesen schmutzigen Piraten, ich wurde gezwungen, mich ihnen anzuschließen, und ich werde mit Freuden bei ihren Verhandlungen aussagen.‹«
    Mehrere Mitglieder der Mannschaft der Jenny hatten inzwischen das Ufer erreicht und sich der Menge angeschlossen, und jetzt brüllten sie ihre entzückte Zustimmung. » Genau das hat er gesagt, Phil!«
    » Dieser Kapitän hat gedacht, Jack sei so unschuldig wie ein verdammtes Schaf!«
    » Aber«, fuhr Davies fort, » er hat mir zugezwinkert, als niemand hinsah, daher habe ich abgewartet, was er im Schilde führte. Und Jack überzeugte den Kapitän davon, dass ich allein verhört werden sollte, in der großen Kajüte, und kaum waren wir drei und noch zwei Offiziere dort drin und hatten die Tür geschlossen, da riss Jack auch schon eine Pistole heraus und schoss dem Kapitän sauber ein Loch in den Kopf!«
    Diesmal war der Applaus stürmisch, und Shandy wurde mit Gewalt hochgehoben und von einer Anzahl von Piraten auf den Schultern um die Feuer getragen. Beth machte noch einen Schritt rückwärts, dann drehte sie sich um und lief zurück ans dunkle Ufer, während Davies hinter ihr genüsslich fortfuhr zu beschreiben, wie Shandy die vollständige Zerstörung des britischen Kriegsschiffes zuwege gebracht hatte.
    Sie fand Bonnett auf der trockenen Seite des Spülsaums. Die Hände hinterm Rücken verschränkt schaute er auf das jetzt dunklere Meer hinaus, oder besser, wie die

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