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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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ihr auf. » Die Revenge? Die können wir nicht nehmen. Glaubt Ihr, niemand würde es sehen oder hören, wenn wir den Anker hochziehen, die Segel setzen und auslaufen? Nein, wir werden ein Boot mit Vorräten und allem, was wir finden, ausstatten, um es mit einem Mast und einem Segel versehen zu können. Dann werden wir mit umwickelten Ruderblättern die Küste entlang davonfahren und anschließend werden wir unser Glück auf dem offenen Meer suchen. Gott ist weitaus barmherziger als Thatch.« Er keuchte plötzlich auf und packte sie am Handgelenk. » Himmel! Einen Augenblick! Ist das eine Falle? Hat Thatch Euch vorgeschickt – um mich auf die Probe zu stellen? Ich habe vergessen, dass Euer Vater sein Partner ist …«
    » Nein«, erwiderte Beth angespannt. » Es ist keine Falle. Ich muss weg von hier. Jetzt lasst uns dieses Boot holen.«
    Bonnett ließ ihr Handgelenk los, obwohl er nicht gänzlich überzeugt wirkte. » Aber … Ihr seid fast einen Monat bei ihnen gewesen, wie ich gehört habe. Warum habt Ihr mit einer Flucht bis jetzt gewartet? Ich bin mir sicher, es wäre in New Providence erheblich einfacher gewesen.«
    Sie seufzte. » Einfach wäre es nie gewesen. Aber …« Ein anderer Vogel flatterte über sie hinweg und sie zuckten beide zusammen. Beth lachte schwach. » Nun, zum einen glaubte ich bis zu unserem Eintreffen hier nicht, dass mein Vater tatsächlich beabsichtigte, mir etwas anzutun, aber jetzt … nun, er will mir nichts antun, aber … vorgestern, als wir von Bord gingen, habe ich mich geschnitten, und mein Vater war außer sich vor Sorge, dass die Wunde sich entzünden und ich Fieber bekommen könnte. Er erklärte Leo Friend, dass die schützende karibische Magie«, sie sprach die Worte mit Abscheu aus, » hier träge ist, und sie mich genau auf jedes Zeichen einer Krankheit hin beobachten müssten. Aber seine Sorge war … unpersönlich – es war nicht die Sorge eines Vaters um eine gefährdete Tochter, sondern vielmehr, ich weiß nicht, die Sorge eines Kapitäns um die Seetüchtigkeit eines Schiffes, von dem sein Leben abhängt.«
    Bonnett hatte nicht wirklich zugehört – er drückte die Locken seiner Perücke zurecht und leckte sich über den Schnurrbart, dann stand er auf und kam zu ihr herüber – die Hütte schwankte gefährlich –, um sich neben ihr an die Wand zu lehnen. Groteskerweise verzog er das Gesicht zu einem unsicheren, aber einschmeichelnden Lächeln. » ›Zum einen‹, habt Ihr gesagt.« Seine Stimme war jetzt heiserer. » Gibt es noch einen anderen Grund?«
    Beth schaute ihn nicht an und sie lächelte traurig. » Ja. Es ist töricht, aber ich denke, es ist so. Ich habe es erst am Dienstag begriffen, als der Angriff des Kriegsschiffs ihn getötet hat. Er war an Bord dieses Bootes, der Jenny, und Friend sagt, keiner darauf hätte die Breitseite überleben können – aber ich denke, ich wollte nicht wirklich fort ohne … nun, Ihr habt ihn niemals kennengelernt. Es war ein Mann, der ebenfalls ein Passagier auf der Carmichael war.«
    Bonnett schürzte die Lippen und trat zurück, und sein dicker Bauch entspannte sich wieder. » Ich brauche Euch nicht mitzunehmen, wisst Ihr«, blaffte er.
    Beth blinzelte überrascht und drehte sich zu ihm um. » Was? Natürlich müsst Ihr. Wenn Ihr es nicht tut, was soll mich dann daran hindern, Alarm zu schlagen, bevor Ihr weit genug weg seid?« Abrupt erinnerte sie sich daran, dass dies, trotz der guten Manieren, ein Pirat war, und sie fügte hastig hinzu: » Wie dem auch sei, Euer Fall wird gewiss für die Behörden besser aussehen, wenn Ihr nicht nur Reue zeigtet, sondern auch eine Gefangene Schwarzbarts befreit hättet.«
    » Da ist etwas dran, schätze ich«, murmelte Bonnett widerstrebend. » Also schön, hört zu. Wir werden gehen, jetzt sofort und auf getrennten Wegen; wir werden uns zum Ufer aufmachen, wo eins der Beiboote der Revenge auf dem Sand liegt – Ihr werdet mich bei dem Boot sehen –, und Ihr werdet schnell einsteigen und Euch tief ducken, sodass man Euch nicht sieht. Im Boot liegt altes Segeltuch. Versteckt Euch darunter. Wir haben wieder Flut, also sollte es mir nicht schwerfallen, das Boot ins Wasser zu bekommen. Dann werde ich uns zur Revenge hinüberrudern, so viel Proviant und andere Dinge ins Boot laden, wie ich kann, ohne den Argwohn dieser verräterischen Mannschaft zu erregen, und dann rudern wir einfach an der Küste entlang nach Süden. Könnt Ihr nach den Sternen navigieren?«
    » Nein«, antwortete Beth.

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