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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Schwarzbart oder Hunsi Kanzo, wie er auch genannt wurde, der erfolgreichste der Freibeuter war, die versucht hatten, sich an diese neue, westliche Welt anzupassen. Schwarzbart schien ebenso sehr und ebenso untrennbar ein Teil dieser Welt zu sein wie der Golfstrom.
    Shandy sah Davies an, der heftiger blinzelte, als es der Schein des Feuers rechtfertigte, und obwohl die Anspannung seines Kinns seine Wangen noch gefurchter und hohler erscheinen ließ als gewöhnlich, erhaschte Shandy einen Hinweis darauf, wie Davies als junger Mann ausgesehen haben musste – eigenwillig und entschlossen, jedwedes Unbehagen zu verbergen, sobald er eine Tat durchdacht und sich dafür entschieden hatte.
    Nicht weit von ihm knirschten Stiefel auf dem Sand, und als Shandy sich umschaute, sah er, dass der alte, einarmige Benjamin Hurwood herangetreten war und zu dem Boot hinüberstarrte. Shandy dachte, dass auch Hurwood seine Gefühle verbarg, aber im Gegensatz zu Davies schien Beth’ Vater angespannt zu sein vor Eifer und Ungeduld. Bei der Erinnerung an einige Dinge, die Davies ihm über Hurwood erzählt hatte, war Shandy sich ziemlich sicher, dass er den Grund dafür kannte.
    Das Boot schob sich auf den letzten Wellenkamm und wurde mit der Gischt der Welle an den Strand getragen, bis der Kiel auf dem Sand knirschte. Schwarzbart schwang sich über die Bordwand und platschte schwerfällig ans Ufer. Sein Bootsmann – dem der Unterkiefer, wie Shandy mit einem Schaudern registrierte, an den Kopf gebunden worden war – blieb im Boot sitzen und versuchte weder, es ganz an Land zu bringen, noch, zurück in tieferes Wasser zu pullen, bevor die nächste Welle brach.
    Schwarzbart kam durch den Sand zu den Feuern hinauf und hielt für einen Moment inne, wo die Neigung des Strandes sich abflachte, eine große, unregelmäßig geformte Silhouette vor dem Hintergrund des purpurnen Himmels. Sein Dreispitz schien zu spitz und zu lang an den Ecken, und mit den roten Lichtpunkten, die um seinen Kopf tanzten, wirkte er auf Shandy wie ein dreifach gehörnter Dämon, der gerade aus der Hölle heraufgestiegen war.
    Dann näherte er sich den Feuern, und die leuchtenden roten Punkte um seinen Kopf entpuppten sich als die angezündeten Enden von langsam brennenden Lunten, die er in seine zottlige Mähne und seinen Bart geflochten hatte. Er war ein hochgewachsener Mann, größer als Davies und ebenso massig wie ein vom Wind geschliffener Felsblock.
    » Und so begegnen wir uns ein Jahr später hier, Mr. Hurwood«, bemerkte Schwarzbart. » Ihr habt uns ein feines Schiff gebracht, wie Ihr es versprochen habt, und ich habe das Kraut gebracht, von dem Ihr sagt, Ihr würdet es benötigen – und hier sind wir, am Vorabend des August, trotz Eurer Befürchtungen, ich könnte zu spät kommen.« Er sprach Englisch mit einem leichten Akzent, und Shandy konnte nicht entscheiden, ob dieser auf eine nicht englische Herkunft hindeutete oder einfach auf eine gewisse Gleichgültigkeit der Sprache gegenüber. » Mögen wir beide bekommen, wonach wir trachten.«
    Hinter dem gewaltigen Piraten sah Shandy Leo Friend, der immer noch keuchte, nachdem er zu den Feuern hinübergeeilt war; er grinste verstohlen. Zum ersten Mal fragte Shandy sich, ob der fette junge Arzt vielleicht bei alledem seine ganz eigenen Ambitionen verfolgte.
    Schwarzbart wandte sich etwas mehr in seine Richtung, und Shandy sah, dass sein zerfurchtes Gesicht von Schweiß glänzte – vielleicht wegen seines schweren schwarzen Mantels, dessen voluminöse Stoffbahnen ihm bis hinunter zu den Schienbeinen hingen. » Phil?«, fragte Schwarzbart.
    » Hier, Sir«, meldete Davies sich zu Wort und trat vor.
    » Fühlst du dich hinreichend erholt, um mitzukommen?«
    » Stellt mich auf die Probe.«
    » Oh, aye, das werde ich tun. Diese Zeiten stellen alle auf die Probe.«
    Schwarzbart grinste, aber es wirkte eher wie ein Krampf, der die meisten seiner Zähne entblößte. » Du hast die Befehle missachtet.«
    Davies grinste zurück. » Natürlich im Gegensatz zu dem, was Ihr getan hättet.«
    » Ha.« Der Riese besah sich die Menge, die sich mehr oder weniger in drei Gruppen teilte – die Besatzungen der drei Schiffe. » Wer ist sonst noch …« Er hielt abrupt inne und schaute auf seinen weiten Ärmel hinab. Jeder Ausdruck wich aus seinem dunklen Gesicht. Die Männer in der Nähe zogen sich zurück und murmelten Schutzformeln, aber Hurwood und Friend beugten sich vor und rissen die Augen auf.
    Shandy sah ebenfalls genau hin,

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