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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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wenn auch nicht eifrig, und dachte für einen Moment, er sähe die Manschette zucken und ein schwaches Rauchwölkchen daraus aufsteigen. Dann sah er sehr deutlich Blut zwischen Schwarzbarts beiden mittleren Fingern herabrinnen und von den Fingerspitzen in den Sand tropfen. Der lange Mantel des Piraten schien zu zittern, als würden Ratten darunter umherhuschen.
    » Rum«, verlangte der Riese mit einer Stimme, die gleichzeitig angespannt und leise war.
    Einer der Männer von der Carmichael eilte mit einem Krug herbei, aber Davies packte ihn am Kragen und riss ihn zurück. » Nicht einfach Rum«, blaffte Davies. Er ergriff den Krug und verlangte nach einem Becher, und nachdem er den Becher gefüllt hatte, entkorkte er hastig seine Pulverflasche und schüttelte einige Handvoll Schießpulver in das Getränk. » Jack«, sagte er. » Ein Licht, schnell.«
    Shandy lief zum nächsten Feuer und riss einen Stock mit einem brennenden Ende heraus, dann eilte er zu Davies zurück, der den Becher jetzt von sich weghielt, und führte die Flamme an den Rand des Bechers.
    Sofort fing das Getränk Feuer und schäumte, und Davies brachte es Schwarzbart. Shandy glaubte, etwas wie einen kleinen, ungefiederten Vogel an Schwarzbarts Hand haften zu sehen, aber er war abgelenkt von dem Anblick des gewaltigen Piraten, der den Kopf in den Nacken legte und sich den feurigen Inhalt des Bechers einfach in den offenen Mund kippte.
    Für einen Moment schien es, als hätte sein ganzer Kopf Feuer gefangen; dann erlosch die Flamme so schnell, wie sie gekommen war, und es blieb nur der trübe Lichterglanz der glimmenden Lunten, und über seinem Kopf hing eine verwirbelte, rötlich leuchtende Rauchwolke. Kaum hatte Shandy ihre Ähnlichkeit mit einem wutverzerrten Gesicht bemerkt, war sie fort.
    » Wer geht mit uns?«, fragte Schwarzbart rau.
    » Ich und mein Quartiermeister hier, Jack Shandy«, antwortete Davies forsch, » und Bonnett und Hurwood natürlich und wahrscheinlich Hurwoods Lehrling, Leo Friend, das ist der fette Knabe dort drüben … und Hurwoods Tochter.«
    Einige Leute schauten Shandy an, aber Schwarzbart tat es nicht, und Shandy ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken. Er war wütend, weil Davies ihm nicht gesagt hatte, dass Beth in den Sumpf mitkommen würde, obwohl er ihm die Reise, die sie in dieser Nacht durch die gefährlichen Sümpfe machen würden, beschrieben hatte, und vor allem den noch gefährlicheren Punkt » magischen Gleichgewichts«, den sie suchten. Dieser Punkt lag weit entfernt in den fast undurchdringlichen Tiefen der Sumpfwildnis, wo es angeblich von abscheulichen und räuberischen Geschöpfen nur so wimmelte. Er konnte sich nicht vorstellen, Beth Hurwood bei diesem Unterfangen mitzunehmen.
    » Dein Quartiermeister«, brummte Schwarzbart, während er geistesabwesend den Becher zerquetschte. » Was ist aus Hodge geworden?«
    » Er ist bei der Flucht von dem Kriegsschiff umgekommen«, antwortete Davies. » Shandy hat diese Flucht zuwege gebracht.«
    » Davon habe ich gehört«, erwiderte Schwarzbart nachdenklich. » Shandy – tritt vor.«
    Shandy tat wie geheißen. Der massige Piratenkönig richtete seinen Blick auf ihn und Shandy fühlte sich von der schieren Wucht der ungeteilten Aufmerksamkeit des Mannes getroffen. Für einen Moment starrte ihm Schwarzbart nur in die Augen, und Shandys Gesicht wurde heiß, denn er konnte beinahe spüren, wie die Schubladen seines Geistes geöffnet wurden und ihr Inhalt taxiert.
    » Ich sehe, dass es an Bord der Carmichael mehr gab, als wir wussten«, sagte der Riese leise und beinahe mit Argwohn. Dann fügte er lauter hinzu: » Willkommen in unserer Welt, Shandy – ich sehe, dass Davies sich den richtigen Mann ausgesucht hat.«
    » Danke, Sir«, rutschte es Shandy heraus. » Obwohl … ich meine, es war nicht alles ganz …«
    » Das ist es niemals. Beweise dich heute Nacht, wenn wir den Brunnen erreichen … und stehe, obwohl wir mit Baron Samedi und Maitre Carrefour reisen, auf eigenen Füßen.« Mit diesen Worten wandte er sich ab, und Shandy, der das Gefühl hatte, als sei er gerade aus gleißendem Sonnenlicht in den Schatten getreten, stieß einen Seufzer aus und entspannte sich.
    In den anlaufenden Wellen war Schwarzbarts Boot zwar halb vollgeschlagen, sie hatten es aber zugleich weiter auf den Strand geschoben, und mehrere Matrosen machten sich daran, eine große Kiste aus dem Boot zu heben. Wegen ihres Widerstrebens, dem steif und reglos dasitzenden Bootsmann zu nahe zu

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