In fremderen Gezeiten
Gefährte ist recht massig.«
Die Männer taten schweigend wie geheißen, und aus Angst vor Hurwood zogen sie das Boot so hoch ans Ufer, dass er hineinsteigen konnte, ohne sich die Stiefel nass zu machen.
Einige Leute warfen Reis, obwohl Hurwood zuvor erklärt hatte, dass er nichts davon halte, aber er lächelte, als er in die Kutsche stieg und sich neben seine Braut setzte, denn er war zu glückselig, um kleine Ärgernisse zur Kenntnis zu nehmen.
Er lächelte breit. » Danke!«, rief er den gaffenden Piraten und Leo Friend zu. » Wenn wir vom Kontinent zurück sind, werden wir Euch alle zum Abendessen einladen!«
Shandy beugte sich zur Seite, weg von der Fackel auf dem Boot, damit er Hurwood besser sehen konnte. Der alte Mann grinste immer noch und winkte zum Ufer, wo die verblüfften Piraten und Friend standen – und Beth, die von einem anscheinend schlafwandelnden Stede Bonnett zum Boot ihres Vaters geführt wurde. Sie hatte wohl doch recht damit, dass ihr Vater verrückt ist, dachte Shandy.
Während der letzten halben Stunde hatte sich der Mond abwechselnd zwischen den Wolken versteckt und war wieder hervorgekommen, und jetzt setzte ein warmer Regen ein. Die Boote waren beladen, und alle, die mitkamen, hatten auf den Ruderbänken Platz gefunden – Schwarzbart und sein zweifelhafter Bootsmann im ersten Boot, Hurwood, Friend, Elizabeth und Bonnett im nächsten und Shandy und Davies im dritten. Shandy war überrascht, dass Trauerkloß nicht mitkam; wusste der massige Bocor vielleicht irgendetwas, was die Menschen in den Booten nicht wussten?
Als die Boote vom Ufer abstießen, die Riemen in den Dollen knarrten und Rauch von den Flammen der Fackeln aufstieg, begannen alle Reisenden bis auf Beth Hurwood leise und vielstimmig eine Weise zu summen, die dem Zweck diente, alles an Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was Baron Samedi und Maitre Carrefour an dieser fernen, gottverlassenen Küste für sie erübrigen mochten – aber nach einigen Minuten erstarb das Gesumm, als fänden sie es alle an diesem Ort unpassend.
Die Strömung war schwach, und es war leicht, den Fluss hinaufzurudern, und schon bald verlor sich selbst der Schein der drei Feuer am Ufer hinter ihnen in dem schwarzen Labyrinth. Shandy hockte im Bug seines Bootes und spähte auf den zwischen den Mangrovendickichten und Schilffeldern sich windenden Wasserlauf. Ab und zu rief er Davies, der trotz seiner gerade erst verheilten Schulter darauf bestanden hatte zu rudern, leise Anweisungen zu. Moosbehangene Sumpfzypressen lösten sich aus der Dunkelheit, einige wie missgestaltete Menschen, die unter Kapuzen verborgen waren, andere wie Reste versunkener Ruinenstädte, Türme, von denen zerfetzte Fahnen hingen.
Ungesehenes bewegte sich unter ihnen am schlammigen Grund, wenn sie vorbeiruderten, und es gab unerklärliches Klatschen und Blubbern, aber Shandy sah nichts, das belebt schien, bis auf die herrlich schillernden Schlieren, die auf dem Wasser lagen und greifende Hände zu formen schienen, außerdem verzerrte Gesichter, die undeutbare Worte formten, während die Bootskiele sie entzweischnitten und zu beiden Seiten fortdrängten.
Schwarzbarts Boot hatte die Führung übernommen, und in der fast stillen Kathedrale des Sumpfs dachte Shandy, er könne von dem seltsamen Bootsmann des Piratenkönigs ein unablässiges Zischen hören. Die einzigen anderen Geräusche von den Booten waren Friends gemurmelte Anweisungen an Bonnett, der sich mit den Riemen des Bootes abmühte, und ein gelegentliches leises, einfältiges Kichern von Hurwood. Beth kauerte in hoffnungslosem Schweigen neben ihrem Vater.
Als Shandy nach ungefähr einer Stunde langsamer Fahrt durch das Dschungellabyrinth ein leises Summen bewusst wurde, begriff er sofort, dass er es schon eine ganze Weile wahrgenommen haben musste, aber bis jetzt nicht hatte von dem gedämpften Klatschen der Ruderblätter unterscheiden können. Es klang für ihn wie das ängstliche Gewisper Hunderter von Menschen nicht weit voraus. Ungefähr zur gleichen Zeit bemerkte er den neuen Geruch, der die kräftigen Düfte von Zypressenöl, verfaulender Vegetation und schwarzem Wasser überlagerte. Und sobald ihm dieser Geruch bewusst wurde, war ihm auch klar, dass er ihn erwartet hatte. Er stieß den Atem kräftig durch die Nase aus, dann räusperte er sich und spuckte ins Wasser.
» Aye«, murmelte Davies, dem der Geruch offenbar nicht besser gefiel, » es riecht wie eine Kanone, die man zwischen zwei Schüssen nicht hat
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