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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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von vorn. » Hört auf zu staken. Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter.«
    Gott, dachte Shandy. » Macht er … Witze?«, fragte er, nicht sehr hoffnungsvoll.
    Statt zu antworten, legte Davies seinen Riemen ins Boot und ließ sich über das Heck ins schwarze Wasser gleiten. Es erwies sich als ungefähr hüfthoch. » … geziemend ist’s, nach diesem Tag der Freude laut zu singen«, gurrte Hurwood weiter.
    Shandy schaute nach vorn. Schwarzbart hatte die Fackel seines Bootes aus ihrem Halter genommen, und er und sein beunruhigender Bootsmann waren bereits im Wasser und wateten auf das nächste Ufer zu. Schatten glitten umher, als die beiden sich bewegten, und neue Gruppen von Pilzknollen wurden sichtbar.
    » Mr. Hurwood«, zischte Leo Friend und schüttelte den einarmigen Mann. » Mister Hurwood! Wacht auf, verflucht noch mal!«
    » Als«, fuhr Hurwood fort zu rezitieren, » in meines Lebens Mitte Gott mir die Wahl ließ … aus dunklem Wald ans Licht …«
    Shandy sah, dass Beth’ Schultern zitterten. Bonnett saß so steif und reglos da wie eine Gliederpuppe.
    Schwarzbart und sein Bootsmann hatten inzwischen so etwas wie Land erreicht, und ohne auf die zuckenden, wispernden weißen Kugeln zu ihren Füßen zu achten, klammerten sie sich an herabbaumelnde Ranken, um in dem Schlamm und Wurzelgestrüpp nicht den Halt zu verlieren. » Wir brauchen ihn wach«, rief Schwarzbart Friend zu. » Ohrfeigt ihn, und zwar kräftig. Wenn das nicht reicht, werde ich hinüberkommen und selbst etwas nachhelfen.«
    Friend lächelte nervös, holte aus und schlug Hurwood seine pummelige Hand ins alberne Gesicht.
    Hurwood stieß ein Brüllen aus, das beinahe ein Schluchzen war, dann schaute er blinzelnd die Boote an; er war sich seiner wahren Umgebung wieder bewusst.
    » Es ist nicht mehr sehr weit jetzt«, erklärte Schwarzbart ihm geduldig, » aber wir lassen die Boote hier.«
    Hurwood spähte fast eine geschlagene Minute in das Wasser und auf das schlammige Ufer. Schließlich sagte er: » Wir werden das Mädchen tragen müssen.«
    » Ich werde dabei helfen«, rief Shandy.
    Friend warf Shandy einen giftigen Blick zu, aber Hurwood schaute sich nicht einmal um. » Nein«, widersprach der alte Mann, » Friend, Bonnett und ich schaffen das schon.«
    » Richtig«, sagte Schwarzbart. » Wir Übrigen werden damit beschäftigt sein, uns einen Pfad durch diesen Dschungel zu hauen.«
    Shandy seufzte und legte seinen Riemen beiseite. Er zerrte die Fackel des Bootes aus ihrem Halter, übergab sie und das Päckchen mit schwarzen Kräutern Davies und stieg aus dem Boot. Wenigstens waren seine Stiefel undicht und das relativ kühle Sumpfwasser tat seinen heißen Füßen gut.

Kapitel 12
    Eine halbe Stunde lang stapfte, patschte und stolperte die kleine Gruppe durch ein klaustrophobisches Gewirr von Pflanzen; Shandys Arm, mit dem er das Messer schwang, zitterte vor Erschöpfung, so viele Schlingpflanzen und Baumwurzeln hatte er schon durchtrennt, aber er kämpfte sich stur weiter, stieg aus Teichen, in die er hineingestolpert war, und zwang sich, die raue Luft einzuatmen. Und gab dabei ständig acht, dass die Fackel in seiner anderen Hand nicht verlöschte und in ihrer Flamme genug von dem schwarzen Kraut verbrannte.
    Hurwood, Bonnett und Friend hinter ihm blieben alle paar Schritte stehen und erprobten ein neues Arrangement, ihre Fackel, die Kisten Hurwoods und Beth zu tragen, und zweimal hörte Shandy ein unglückliches, mehrfaches Platschen, gefolgt von erneuertem Schluchzen Beth’ und fast unverständlich schrillen Flüchen ihres Vaters.
    Kurz nachdem sie alle acht das erste schlammige Ufer erreicht hatten, begannen die Pilzköpfe zu niesen und kleine Wölkchen von Sporen – oder Pollenstaub – aus ihren schlabbrigen Mündern zu blasen; aber der dichte, tiefhängende Fackelrauch vertrieb den Staub, als sei jede Fackel die Quelle eines mächtigen Windes, den nur das Pulver spürte.
    » Das Einatmen dieses Staubes«, keuchte Hurwood, während mehrere der Gebilde gleichzeitig niesten, » hat diese Geister über Euch gebracht, Thatch.«
    Schwarzbart lachte, während er mit einem Schwung seines Entermessers einen jungen Baum beiseitewischte. » Wolken von Geistereiern, hm?«
    Shandy hatte sich kurz umgewandt und sah, dass Hurwood in gelehrtenhafter Unzufriedenheit die Miene verzog. » Nun, so ungefähr«, sagte der alte Mann, während er sich krümmte, um sich die Beine seiner Tochter bequemer über die Schulter zu legen.
    Shandy widmete sich wieder

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