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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Richtungen führen hier nicht zum Ziel. Ihr könntet in einer geraden Linie darauf zugehen, bis Ihr verhungert, ohne dem Jungbrunnen auch nur einen Schritt näher zu kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde es Euch auf Eurem Weg so vorkommen, als beschriebe der Brunnen langsam einen Kreis um Euch.«
    Schwarzbart lachte. » Ich hatte nicht vor, ihn so weit gehen zu lassen, dass wir ihn nicht mehr zurückbekommen. Aber Ihr habt Recht, so hat es ausgesehen. Ich bin zwei Tage lang darauf zugegangen, bevor ich mir eingestehen musste, dass man von hier nicht herankommen konnte, und dann habe ich drei weitere Tage gebraucht, um dorthin zurückzugehen, wo wir jetzt stehen.«
    Hurwood erhob sich vollends und klopfte sich ab. » Tage?«, wiederholte er trocken.
    Schwarzbart sah ihn scharf an. » Nun, nein, da Ihr es sagt, eigentlich nicht. Die Sonne ist aufgegangen, aber nie weit über den Moment hinausgekommen, den man Morgendämmerung nennen würde, bevor sie beschloss, wieder unterzugehen. Die Morgendämmerung verwandelte sich direkt in Abenddämmerung, ohne einen echten Tag dazwischen.«
    Hurwood nickte. » Wir sind jetzt nicht wirklich in Florida – oder jedenfalls nicht mehr in Florida als an irgendeinem anderen Ort. Habt Ihr Euren Pythagoras einigermaßen gründlich studiert?«
    Davies und Schwarzbart gaben beide zu, dass sie das nicht getan hatten.
    » Die Widersprüche, die in seiner Philosophie enthalten sind, sind hier keine Widersprüche. Ich weiß nicht, ob die Umstände hier der allgemeine oder ein besonderer Fall sind, aber hier ist die Quadratwurzel von zwei keine irrationale Zahl.«
    » Unendlichkeit – Apeiron –, wie sie hier existiert, hätte Aristoteles nicht beleidigt«, fügte Friend hinzu, der ausnahmsweise einmal Beth Hurwood vergessen zu haben schien.
    » Wie schön für Aristoteles«, sagte Schwarzbart. » Aber kann ich meine Geister hier loswerden?«
    » Ja«, antwortete Hurwood. » Wir müssen Euch nur zu dem Becken bringen.«
    Schwarzbart deutete auf den Jungbrunnen. » Geht voran.«
    » Das werde ich.« Mit diesen Worten wandte Hurwood sich seinem Gepäck zu, und Friend hockte sich zu ihm und half.
    Während Hurwood und Friend beschäftigt waren, trat Shandy an Beth heran. » Wie geht es Euch?«, war alles, was zu sagen ihm einfiel.
    » Gut, danke«, erwiderte sie automatisch. Ihr Blick war verschleiert, und sie atmete flach, aber sehr schnell.
    » Haltet einfach irgendwie durch«, flüsterte Shandy, wütend über seine eigene Hilflosigkeit. » Sobald wir zum Strand zurückkommen, schwöre ich, werde ich Euch hier heraus…«
    Ihre Knie gaben unter ihr nach, und sie fiel; er schaffte es, die Arme um sie zu schließen, bevor sie im Sand landete, und als er sah, dass sie ohnmächtig geworden war, legte er sie sachte auf den Rücken. Dann hatte Friend ihn auch schon zur Seite gestoßen, fühlte ihr den Puls und zog ihr die Augenlider hoch, um die Pupillen zu betrachten.
    Shandy stand auf und schaute zu Hurwood hinüber, der die Fackel benutzte, um eine Laterne zu entzünden, die in einem der Bündel gewesen war. » Wie könnt Ihr das Eurer eigenen Tochter antun?«, fragte Shandy ihn heiser. » Ihr seid ein Hurensohn, ich hoffe, Eure Margaret kommt gerade lange genug zurück, um Euch zu verfluchen, und sinkt dann in einen Haufen Schmutz zusammen, der so verderbt ist wie Eure verfluchte Seele.«
    Hurwood schaute ohne Interesse auf und widmete sich dann ungerührt seiner Arbeit. Er hatte es geschafft, den Docht der Laterne zu entzünden, und jetzt setzte er die Haube darüber. Die Haube war aus Metall und mit scheinbar willkürlich geformten und verteilten Schlitzen versehen, die jetzt Lichtstreifen und -muster auf den dunklen Sand warfen.
    Shandy trat einen Schritt auf den alten Mann zu, aber Schwarzbart war plötzlich vor ihm. » Später, Söhnchen«, sagte der Pirat. » Er und ich arbeiten im Moment zusammen, und wenn du versuchst, meine Pläne zu durchkreuzen, wirst du dich auf dem Boden wiederfinden und versuchen müssen, dir deine Eingeweide zurück in deinen Bauch zu stopfen.« Er wandte sich an Hurwood. » Alles bereit?«
    » Ja.« Hurwood steckte die immer noch brennende Fackel in den Sand, dann stand er mit der Laterne auf. Sein quadratischer Holzkasten hing ihm jetzt wie ein Fischkorb am Gürtel. » Geht es ihr gut?«, fragte er Friend.
    » Bestens«, antwortete der fette Mann. » Sie ist nur ohnmächtig.«
    » Tragt sie.«
    Hurwood hob die Laterne mit seiner einzigen Hand hoch und

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