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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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zurückgezogen. Manchmal habe ich den Eindruck, als sei er damals ebenfalls gestorben oder zumindest der Teil von ihm, der … ich weiß nicht, der gelacht hat. Im letzten Jahr war er allerdings wieder aktiver … seit seiner katastrophalen ersten Reise nach Westindien.« Sie schüttelte mit einem erneuten Stirnrunzeln den Kopf. » Merkwürdig, dass der Verlust eines Armes ihn derart belebt hat.«
    Chandagnac zog die Augenbrauen hoch. » Was ist passiert?«
    » Es tut mir leid, ich hatte geglaubt, Sie wüssten davon. Das Schiff, mit dem er reiste, ist von dem Seeräuber Schwarzbart gekapert worden, und eine Pistolenkugel hat meinem Vater den Arm zerschmettert. Es überrascht mich etwas, dass er sich entschlossen hat, noch einmal hierher zurückzukehren – obwohl er dieses Mal ein Dutzend geladene Pistolen mitführt, von denen er stets wenigstens zwei trägt.«
    Chandagnac verbiss sich ein Grinsen bei der Vorstellung, wie der alte Ordinarius aus Oxford mit seinen Pistolen hantierte und darauf wartete, dass ein Pirat auftauchte, auf den er schießen konnte.
    Über das blaue Wasser hallte in diesem Moment ein lauter, hohler Schlag wie von einem großen Stein, der auf Felsgrund trifft. Neugierig machte sich Chandagnac auf den Weg zur anderen Seite des Poopdecks, um noch einmal nach dem anderen Schiff Ausschau zu halten, aber er hatte noch keine zwei Schritte getan, als eine Fontäne von weißer Gischt, die sich wohl hundert Schritt Steuerbord voraus aus der See erhob, ihn ablenkte.
    Sein erster Gedanke war, dass es sich bei dem anderen Schiff um ein Fischerboot handeln müsse und dass das Aufspritzen von Wasser von irgendeinem großen Fisch verursacht worden sein musste; dann aber hörte er den Mann vom Masttop rufen, etwas schriller diesmal: » Seeräuber! Eine einzelne Schaluppe, diese verrückten Narren!«
    Beth hatte sich ebenfalls von der Reling gelöst. » Großer Gott«, sagte sie leise. » Ist das wahr?«
    Chandagnac war leicht benommen, dennoch nicht wirklich besorgt, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. » Ich weiß nicht«, sagte er und lief zusammen mit ihr zur Backbordreling hinüber, » aber wenn es tatsächlich so ist, dann hat er recht, sie müssen verrückt sein – eine Schaluppe ist nicht viel mehr als ein Segelboot, und die Carmichael ist ein Dreimaster mit achtzehn schweren Kanonen.«
    Er musste die Stimme erheben, damit sie ihn verstehen konnte, denn das sonst allgegenwärtige Ächzen des Schiffes, das Klatschen und Rauschen des Wassers wurde jetzt übertönt von laut gerufenen Befehlen, dem Tappen bloßer Füße über die unteren Decks und dem Sirren des Tauwerks, das durch die Blöcke lief; dazu gesellten sich jetzt andere Klänge, entfernt, aber dennoch beunruhigend – ein wildes metallisches Klappern und Klirren zu den schrillen Dissonanzen von Trompeten, die geblasen wurden, um Lärm zu machen und nicht Musik.
    » Es sind Piraten«, sagte Beth angespannt und klammerte sich neben ihm an die Reling. » Mein Vater hat mir diesen Lärm beschrieben. Sie werden auch tanzen – sie nennen es ›Dampf ablassen‹ – es soll uns einschüchtern.«
    Diesen Zweck erfüllt es wohl, dachte Chandagnac; dennoch grinste er Beth an und sagte: » Es würde mich einschüchtern, wenn sie mit einem größeren Schiff gekommen wären oder wir mit einem kleineren.«
    » Rund achtern!«, erscholl der Ruf einer befehlsgewohnten Stimme von unten, und rechts unter sich sah Chandagnac, dass der Rudergänger und ein weiterer Mann den Kolderstock hart nach Steuerbord legten. Gleichzeitig drehten sich über ihnen knarrend und ächzend die langen, waagerechten Bäume, die Rahen, mit den daran befestigten, geblähten Segeln langsam um die Masten.
    Den ganzen Morgen lang hatte das Schiff leicht nach Steuerbord übergelegen; jetzt richtete es sich auf und legte sich dann in einer einzigen Bewegung so weit nach Backbord über, dass Chandagnac sofort einen Arm um Beth legte und den anderen um eine straffe Leine, die hinauf zum Mast führte. Er presste ein Knie gegen das Schanzkleid, während das Deck sich unter ihnen hob, der Frühstückstisch ins Rutschen kam und dann einen knappen Meter neben Beth gegen die Reling stieß. Die Teller, das Tafelsilber und die zweckentfremdeten Servietten verschwanden in dem Schatten, den der Schiffsrumpf jetzt plötzlich warf, und platschten tief unter Chandagnac und Beth ins Meer.
    » Verdammt!«, stieß Chandagnac durch zusammengebissene Zähne vor, während er – das Schiff lag immer noch

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