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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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weit über – direkt in die aufgewühlte See hinabstarrte. » Ich glaube nicht, dass die Piraten uns umbringen können, aber unser Kapitän versucht es auf jeden Fall!« Er musste den Kopf in den Nacken legen, um zum Horizont sehen zu können, aber das brachte seinen Magen derartig in Unordnung, dass er nach einigen Sekunden seinen Blick wieder zurück aufs Wasser richtete – aber er hatte bereits gesehen, dass das, was vorher rechts vom Schiff gewesen war, sich jetzt links davon befand und dass das nun keineswegs mehr weit entfernte Schiff der Piraten jetzt nicht mehr voraus, sondern fast querschiffs fuhr. Er sah das Piratenschiff zwar nur von vorn, weil es auf sie zuhielt, aber erkannte doch, dass es sich tatsächlich um eine Schaluppe handelte, ein einmastiges, gaffelgetakeltes Boot mit zwei schäbigen, vielfach geflickten dreieckigen Segeln, das eine davon an Mast und Baum angeschlagen, das andere zwischen dem Mast und dem Ende des überlangen Bugspriets. An Deck drängten sich abgerissene Gestalten, die zu tanzen schienen.
    Dann hob sich die Backbordseite der Carmichael, der Horizont über ihnen senkte sich und das Schiff richtete sich auf. Den Wind und die Sonne hatten sie jetzt von Steuerbord. Chandagnac hielt Beth weiter mit einem Arm umfangen und schob sie zum Niedergang. » Ich muss Euch in Sicherheit bringen!«, rief er.
    Als sie am Niedergang ankamen, kam ihr Vater gerade vom Quarterdeck herauf. Für einen Augenblick vergaß Chandagnac alle Gefahr und starrte den alten Mann an. Er trug eine förmliche Weste, eine lange Jacke und sogar eine gepuderte Perücke. In seiner einzigen Hand hielt er eine Pistole an ihrem Lauf, mit deren Knauf er sich in die Sprossen der Leiter einhängte und so hinaufzog. Wenigstens ein halbes Dutzend weiterer Pistolen hatte er in den Schlingen einer Schärpe stecken, die er über der Schulter trug. » Ich werde sie nach unten bringen!«, brüllte der alte Mann, als er das Poopdeck erreichte, und schob Beth auf die Leiter zu. Sie begann ihren Abstieg, den alten Mann, der sie genau im Auge behielt, direkt hinter sich. » Vorsicht!«, rief er. » Vorsicht, Gott sei’s verdammt!«
    Kurz blitzte in Chandagnac der närrische Gedanke auf, der alte Hurwood hätte in den ein bis zwei Minuten seit der Sichtung der Piraten Zeit gefunden, Blei zu schmelzen und einige Pistolenkugeln zu gießen, denn der alte Mann hatte eindeutig nach heißem Metall gerochen … Aber dann waren Hurwood und Beth auf dem Quarterdeck verschwunden, und Chandagnac war gezwungen, vom Niedergang zurückzutreten, um einigen Matrosen Platz zu machen, die zum Poopdeck heraufkamen. Er zog sich zu dem Frühstückstisch zurück, der wie eine kurze Trennwand aus der Reling ragte, und hoffte, dort niemandem mehr im Weg zu sein. Zugleich fragte er sich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn die Zwölfpfünder feuerten, und warum der Kapitän so lange zögerte, sie einzusetzen. Ein dreimaliges Krachen ließ das Deck unter seinen Stiefeln erzittern. Waren sie das?, fragte er sich, aber als er sich umdrehte, um über die Backbordreling hinweg Ausschau zu halten, konnte er weder Rauch noch Wasserspritzer entdecken.
    Er sah lediglich die Schaluppe der Piraten – die gerade in den beständigen Wind gedreht und gewendet hatte, so dass sie jetzt von Backbord achtern aus auf die Carmichael zulief.
    Warum zum Teufel, dachte er mit wachsendem Unbehagen, haben wir nicht gefeuert, als sie eben auf uns zuhielten oder als sie wendeten und uns ihre Breitseite zeigten? Er sah den Männern zu, die geschäftig an ihm vorbeieilten, bis er auf dem Quarterdeck, fast schon am Aufgang zur Back, die vierschrötige Gestalt von Kapitän Chaworth erblickte. Chandagnac hatte plötzlich das Gefühl, dass sich anstelle seines Magens ein Loch befände, als er entdeckte, dass Chaworth vom Schweigen der Kanonen ebenfalls überrascht schien. Chandagnac schob sich um den Tisch herum und trat bis zum vorderen Geländer des Poopdecks vor, um besser sehen zu können, was unten auf Deck vorging.
    Er sah, dass Chaworth zum Niedergang des Kanonendecks lief, aus dem ihm in diesem Moment dicker schwarzer Rauch entgegenschlug. Dann hörte Chandagnac die entsetzten Schreie der Matrosen: » Jesus, eine der Kanonen ist explodiert!« – » Drei von ihnen sind explodiert, sie sind alle tot unten!« – » In die Boote! Als Nächstes wird das Pulver explodieren!«
    Das Krachen eines Pistolenschusses machte dem Aufruhr ein Ende. Chandagnac sah, wie der Mann, der dazu

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