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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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erscheinen, wenn man ihm zu große Aufmerksamkeit zollt.«
    Mit einem Frösteln begriff Shandy, dass das, was Hurwood suchte, die zusätzliche Gestalt gewesen sein musste, die er und Davies immer wieder mitgezählt hatten.
    Jemand in seiner Nähe flüsterte etwas, und Shandy erwartete, dass Hurwood Schweigen gebieten würde, aber dann antwortete der einarmige Zauberer in einer Sprache, die Shandy noch nie gehört hatte, und er begriff, dass das Flüstern ebenso in dieser Sprache gewesen war und derjenige, der geflüstert hatte, nicht zu ihrer Gruppe gehörte.
    Die fremde Stimme sprach erneut, fester jetzt, aber immer noch sehr leise, und es schien Shandy, dass der Sprecher direkt neben ihm stand. Shandy gehorchte Hurwood und starrte geradeaus, aber aus dem Augenwinkel konnte er in der Dunkelheit jemanden neben sich sehen. Davies stand an seiner anderen Seite … War dies ihr mysteriöser Flüsterer? Oder nur Bonnett? Oder sogar Beth? Shandy fühlte sich stark versucht, einen Blick zu riskieren.
    Die Stimme verklang. » Augen nach vorn«, rief Hurwood allen ins Gedächtnis. » Schließt sie, wenn euch das lieber ist, aber niemand darf sich umsehen.« Dann sprach er von Neuem, angespannter jetzt, in der unbekannten Sprache, und als er zum Ende kam, fügte Leo Friend einen Ausdruck hinzu, der offensichtlich eine Frage war.
    Die weiche, kaum zu ortende Stimme antwortete und sprach mit einiger Ausführlichkeit, und Shandy fragte sich, wie lange er noch geradeaus starren konnte. Der Gedanke, die Augen an einem so abscheulich reglosen Ort zu schließen, ließ ihn erschauern, aber selbst das Stillhalten wurde langsam unerträglich.
    Endlich brach die Stimme ab und mit einem Mal waren Hurwood und Friend in Bewegung. Shandy riskierte einen knappen Blick in ihre Richtung. Sie eilten auf das Ufer des Teiches zu, aus dem sich eine Fontäne erhob, wateten direkt in die dicke Flüssigkeit hinein, hockten sich hin, um etwas davon mit den Händen zu schöpfen und gierig zu trinken. Dann kamen sie wieder zurück auf den schlammigen Grund gewatet und Hurwood ergriff erneut das Wort.
    Die Antwort, die einige Sekunden später kam, war sehr schwach, vielleicht, weil einige Personen sich umgesehen hatten. Die Stimme sprach nur einige wenige Silben.
    Sofort schoben Hurwood und Friend die Hände in ihre Taschen. Hurwood förderte ein Taschenmesser zutage, und Friend riss schließlich einfach eine Nadel aus seiner gepuderten Perücke, und im gleichen Moment stachen sich beide in einen Finger und schüttelten Blut auf den kalten Schlamm.
    Die Blutspritzer zischten, wo sie in den Schlamm fielen, und dann sah es für Shandy so aus, als brächen daraus zwei klauenähnliche Hände hervor. Aber einen Augenblick später hörten sie auf, sich zu bewegen, und Shandy begriff, dass es Pflanzen waren – dürr wie Kakteen, aber sehr auffallend in dieser Einöde. Shandy bemerkte auch eine dritte Pflanze, näher am Ufer, aber sie war verwelkt und steif.
    Dann trat Schwarzbart vor, und obwohl Hurwood die Hand ausstreckte, um ihn aufzuhalten, stand der Piratenkönig nach zwei langen Schritten knöcheltief im Becken. Er schöpfte etwas von der Flüssigkeit auf, trank davon und kam dann wieder aus dem Brunnen. Er biss sich in den Finger und schüttelte ein wenig Blut herunter. Wieder zischte es, der Schlamm geriet in Bewegung. Und eine Sekunde später war einige Schritt von denjenigen Hurwoods und Friends entfernt eine weitere, stachelige Pflanze emporgewachsen.
    Die beiden Zauberer starrten ihn an, einen identischen Ausdruck von Überraschung und leichtem Schrecken auf den Gesichtern, aber dann zuckte Hurwood nur die Achseln und murmelte: » Nichts zu machen.«
    Der Einarmige sprach erneut, und wieder antwortete ihm die schwache Stimme, obwohl sie jetzt für Shandy so klang, als käme sie von der anderen Seite der Gruppe, von irgendwo hinter Davies.
    » Verdammt«, murmelte Hurwood, als die Stimme abbrach. » Es weiß das jetzt nicht auf der Stelle.«
    Shandy sah, dass Friend die Achseln zuckte. » Wir können eine Weile warten.«
    » Wir werden warten, bis es es weiß und mir gesagt hat«, erklärte Hurwood entschieden.
    » Wer ist dieses Es?«, fragte Schwarzbart.
    » Das … Wesen, das wir befragen«, antwortete Hurwood, » obwohl das Pronomen ›wer‹ nicht ganz passt.« Er seufzte, anscheinend weil es unmöglich war, all dies zu erklären, aber dann schien seine professorale Vergangenheit ihn doch einzuholen. » Newtons Gesetze der Mechanik sind absolut

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