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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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gekommen war, musste er wissen, ob er recht hatte. Er hatte keine Skrupel, Hurwood aufzuregen, und Beth schien sich bestenfalls geringfügig ihrer Umgebung bewusst zu sein. Daher hielt er ihr ohne Umschweife sein heißes Messer an die Kehle und bedeckte den größten Teil des Griffs mit der Hand, damit Hurwood nicht sah, dass sie nur die stumpfe Seite der Klinge am Hals hatte.
    An die Stelle des triumphierenden Ausdrucks auf Hurwoods Gesicht trat sofort absolutes Grauen. Er fiel auf die Knie und sank dabei in einen der öligen Teiche. Dann starrten er und Friend Shandy wortlos an. Ihre Münder öffneten und schlossen sich immer wieder, ohne dass ihnen ein Ton über die Lippen gekommen wäre.
    Shandy, dessen Befürchtungen bestätigt worden waren, grinste das entgeisterte Paar an. » Dann wäre das also geregelt.« Er zog sich vorsichtig durch das federnde Moor zurück und hielt den Blick auf die beiden Männer gerichtet, das Messer weiter an Beth’ Kehle. So brachte er sie zu dem Boot, wo der verwirrte Davies wartete.
    Hurwood wandte sich mit einem flehentlichen Heulen an Schwarzbart.
    Schwarzbart hatte dieses Drama im Fackelschein mit schmalen Augen verfolgt und jetzt schüttelte er langsam den Kopf. » Unser Handel ist erfüllt«, erklärte er. » Ich werde mich nicht einmischen.«
    Shandy und die völlig verkrampfte Beth Hurwood stiegen ins Boot und Davies stieß sie vom Ufer ab. Shandy steckte sein Messer zurück in die Scheide.
    Bonnett erwies sich als außerstande, etwas Komplizierteres zu tun, als genau geradeaus zu rudern. So blieb Leo Friend nichts anderes übrig, als auf der Ruderbank Platz zu nehmen, mit seinem ausladenden Gesäß deren Belastbarkeit zu erproben und die Riemen in die pummeligen, von Schwielen unversehrten Hände zu nehmen. Hurwood beugte sich auf der Heckbank ihm gegenüber vor, das Gesicht in die einzige ihm verbliebene Hand gedrückt, und seine Schultern hoben und senkten sich, während er tief durchatmete.
    Schwarzbart stakte sein eigenes Boot vor die beiden anderen, dann schaute er zu ihnen zurück, und mit der Fackel direkt hinter seinem zotteligen Kopf erinnerte er Shandy an eine totale Sonnenfinsternis. » Ich nehme nicht an«, bemerkte Schwarzbart, » dass mein Bootsmann wieder auftauchen wird.«
    Hurwood hob den Kopf, und obwohl es ihn einige Anstrengung kostete und er die Stirn runzelte, war er in der Lage zu antworten. » Nein. Ebenso wenig wie … wie Eure Geister wieder auftauchen werden. Solange wir … die Fackeln brennen lassen … und das Kraut ebenfalls, werden sie alle … hier bleiben.«
    » Dann hoffen wir nur, dass ich mich noch an den Rückweg erinnern kann«, meinte Schwarzbart.
    Friend wandte sich erschrocken zu dem Piratenkönig um. » Was? Aber Ihr seid den Fluss heraufgekommen. Und Ihr braucht nur in die gleiche Richtung zurückzufahren.«
    Davies lachte. » Ihr habt doch daran gedacht, eine Spur aus Brotkrümeln zu legen, nicht wahr, Thatch?«
    » Nein«, sagte Schwarzbart angewidert und legte sich in die Riemen. » Aber wenn wir uns verirren, können wir einfach im ersten gottverdammten Gasthaus, das wir erreichen, nach dem Weg fragen.«
    Langsam schoben die drei Boote sich voran; ihre orange flackernden Bugfackeln waren die einzigen Lichtpunkte in der feuchten Schwärze. Die weißen Pilzköpfe an den Ufern blieben jetzt stumm, aber sie blähten bisweilen die Lippen, wenn sie ausatmeten. Shandy überlegte, ob sie wohl schnarchten.
    Nach einigen Minuten wurde der Kanal, dem sie folgten, breiter, und das Rudern leichter. Shandy machte es sich im Bug des Bootes bequemer, denn er brauchte nicht länger darauf gefasst sein, dass er sich vorbeugen und das Boot von Untiefen und Wurzeln abstoßen musste.
    Dann wurde er sich ganz plötzlich eines mörderischen Zorns bewusst, und zuerst dachte er, es sei sein eigener; er funkelte zurück zu dem Boot hinter ihnen, doch Hurwood wirkte lediglich erschöpft und unglücklich, und Friend wimmerte leise bei jedem qualvollen Zug an den Riemen, und ihm wurde klar, dass der Zorn, den er spürte, sich von seinem eigenen unterschied. Sein eigener Zorn war für gewöhnlich jäh und heiß, erstickend und stark gewürzt mit schrecklicher Angst, aber dieser war säuerlich, gewohnheitsmäßig und bösartig, und er ging von einem Geist aus, der viel zu sehr auf sich selbst fixiert war, um jemals Angst zu empfinden.
    Schwarzbart hatte seine Fackel an sich gerissen und war aufgestanden. » Es ist wieder unser Freund Este Fasta«, rief er

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