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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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nichts mehr als ein starkes Getränk und eine Hängematte und zwölf Stunden Schlaf – fragte er sich, wie er Hurwood daran hindern sollte, Beth die Seele aus dem Leib zu zwingen, damit der Geist ihrer Mutter, seiner Ehefrau, dort einziehen konnte.

Kapitel 16
    Am Morgen hatte der Nebel sich über die Grenzen des Flussdeltas hinaus ausgebreitet und einen feuchten, nur schwach durchsichtigen Schleier über Land und Meer gebreitet, so kühl, dass die Piraten sich um die zischenden, knackenden Feuer kauerten. Es war beinahe Vormittag, bis der Nebel sich so weit auflöste, dass irgendjemand das Verschwinden der Carmichael bemerkte. Eine weitere halbe Stunde wurde damit vertan, am Ufer entlangzurudern, zu rufen und Glocken zu läuten, nur um zu bestätigen, dass das Schiff verschwunden blieb.
    Der größte Teil der Besatzung war an Land, und zuerst vermuteten sie, dass die Carmichael irgendwie vom Anker losgekommen und abgetrieben war – bis Hurwood von der Hütte heruntergerannt kam und brüllend verkündete, dass seine Tochter verschwunden sei und er Leo Friend nicht finden könne.
    Shandy stand am Strand bei einem der Boote, als Hurwoods Neuigkeit sich verbreitete. Davies und Schwarzbart standen einige Dutzend Schritte entfernt und hatten sich leise unterhalten, aber als Hurwoods Geschrei losging, blickten sie auf.
    » Kein Zufall«, erklärte Schwarzbart entschieden.
    » Der fette Junge?«, protestierte Davies. » Aber warum?«
    » Dein Quartiermeister weiß, warum«, sagte Schwarzbart und deutete auf Shandy. » Habe ich nicht recht, Shandy?«
    Shandy trat zu ihnen, er fühlte sich leer und kälter als der Nebel. » Ja, Sir«, antwortete er heiser. » Mir ist aufgefallen, wie er sie manchmal angesehen hat.«
    » Aber warum hat er mein Schiff genommen?«, knurrte Davies und wirbelte wütend herum, um auf die noch immer nebelverhangene See hinauszustarren.
    » Er musste Beth wegbringen«, meinte Shandy. » Ihr Vater hatte Pläne mit ihr, die … nicht vereinbar waren … mit den Plänen, die Friend für sie hat.« Er sprach leise, aber er war so angespannt wie eine Stahlfeder.
    Schwarzbart, der ebenfalls aufs Meer hinausblickte, schüttelte seinen gewaltigen Kopf. » Ich wusste doch, dass er mehr war als bloß Hurwoods Lehrling – dass er eigene Ziele verfolgte. Am Jungbrunnen hat er endlich bekommen, was er brauchte. Ich hätte ihn gestern Nacht töten sollen, nachdem wir alle zurück waren. Ich denke, ich hätte es geschafft.« Der riesige Pirat streckte eine Hand aus und ballte sie zur Faust, dann rammte er sie in die Innenfläche seiner anderen Hand.
    Das Geräusch des Schlages verlor sich in dem jähen Krachen eines Donnerschlages, und ein Blitz, der über den ganzen Himmel zuckte, ließ Shandy und Davies benommen zurückprallen.
    » Ich denke, ich hätte es geschafft«, wiederholte Schwarzbart nachdenklich.
    Als das Echo über die Küste davonrollte und Schwarzbart die Hände sinken ließ, wünschte Shandy sich halb, er hätte daran gedacht, etwas von seinem eigenen Blut auf den Schlamm beim Jungbrunnen tropfen zu lassen. Der Gedanke erinnerte ihn daran, wie Davies dieses Ding im Dschungel, das vielleicht eine Art Loa gewesen war, vertrieben, wenn nicht getötet hatte. Verstohlen hob er den Fuß und zog einen Fingernagel über die Rille zwischen der Sohle und dem Oberleder seines Stiefels, rollte das Bröckchen Dreck, das er auf diese Weise erhalten hatte, zu einer Kugel und steckte sie in seine Tasche. Er wusste nicht, ob die Kugel tatsächlich Schlamm vom Rand des Jungbrunnens enthielt oder gegen welche Art von Feind er sie vielleicht benutzen wollte, aber es war klar, dass jeder, der nur Pistolen und Schwerter zu seiner Verfügung hatte, lächerlich schlecht ausgerüstet war für die Art von Kampf, in die sie jetzt verstrickt wurden.
    » Ich muss mein Schiff zurückbekommen«, erklärte Davies, und Shandy begriff, dass Davies mit dem Schiff auch seinen Rang verloren hatte – ohne die Carmichael war er nicht mehr als der Skipper einer merklich ramponierten, aber ansonsten wenig beeindruckenden kleinen Schaluppe. Davies sah Schwarzbart verzweifelt an. » Werdet Ihr mitkommen und mir helfen? Er ist jetzt mehr, als er war, und er kannte schon vorher einige gute Kniffe.«
    » Nein«, antwortete Schwarzbart, und sein dunkles Gesicht war ausdruckslos. » Mittlerweile könnte Woodes Rogers in New Providence eingetroffen sein, mit der Generalamnestie, die darauf abzielt, mich meiner Nation zu berauben.« Die Brise

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