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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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kam vom Meer und sie wehte dem Piratenkönig die Löwenmähne schwarzen Haares und Bartes aus dem Gesicht. Shandy bemerkte graue Strähnen an den Schläfen und am Kinn des Mannes. » Ich wollte die Carmichael – mit dir als Kapitän – zum Flaggschiff meiner Flotte machen … und ich hoffe, du bekommst sie wirklich zurück. Aber es scheint, als nähme das Zeitalter der freien Piraterie ein Ende … Gerade so, wie die fröhlichen Freibeutertage vorüber sind … Dies ist das Zeitalter des Empires.« Er grinste Davies schief an. » Würden die Brüder mir folgen oder die Amnestie annehmen, wenn sie die Wahl hätten?«
    Davies grinste schwach zurück und wartete, bis die nächste Welle brach und das Wasser ihnen fast bis zu den Stiefeln schwappte und sich dann wieder zurückzog, bevor er antwortete. » Sie würden die Amnestie annehmen. Mit Schwarzbart zu segeln bedeutet, sich dem Henker zu versprechen.«
    Schwarzbart nickte. » Aber … ?«
    Davies zuckte die Achseln. » Das Problem wird bestehen bleiben – es sei denn, König Georg hätte genug Verstand, um einen weiteren Krieg anzufangen. Die Karibik ist voller Männer, die sich auf kein anderes Gewerbe verstehen als das Segeln eines Kampfschiffs. Seit dem Frieden sind sie alle arbeitslos. Gewiss, sie werden die Amnestie annehmen – und zwar dankbar! –, um ihre früheren Verbrechen abzuschreiben, aber ein oder zwei Monate später werden sie alle wieder auf der Heuerliste stehen.«
    Schwarzbart nickte, und obwohl Shandy und Davies zurücktraten, schaute er nicht einmal hinunter, als die nächste Welle seine Stiefel umspülte und ihm ein Ende Seetang um die Knöchel legte. Schließlich sprach er langsam weiter. » Würden sie einem neuen Kapitän folgen, der Schiffe und Geld hätte?«
    » Natürlich – und wenn dieser Kapitän wirklich nichts auf dem Kerbholz hätte, könnte er jeden Matrosen in der Neuen Welt haben, denn sie würden ihre Amnestie nicht verletzen, wenn sie mit ihm segelten. Aber wen habt Ihr im Sinn? Selbst Shandy hier eilt inzwischen sein Ruf voraus.«
    » Wisst Ihr, Phil, warum Juan Ponce de Leon diesen Ort den Jungbrunnen nannte?«
    » Nein.« Davies lachte auf. » Wenn überhaupt, fühle ich mich viel älter, seit ich dort war.«
    Schwarzbart drehte sich zu Shandy um. » Irgendwelche Vermutungen, Jack?«
    Shandy erinnerte sich an Hurwoods Mätzchen mit dem Kopf seiner toten Ehefrau. » Weil man den Ort dazu benutzen kann, Tote ins Leben zurückzurufen.«
    Schwarzbart nickte. » Ich war mir sicher, dass du das herausfinden würdest. Ja, der alte Hurwood plant, den Geist seiner Frau aus ihrem getrockneten Kopf wiederzuerwecken und in den Körper seiner Tochter zu verpflanzen. Pech für die Tochter, ohne Körper zurückzubleiben.« Der riesige Pirat lachte leise. » Hurwood ist letztes Jahr in die Neue Welt gekommen – er hatte gehört, dass Magie hier draußen so alltäglich sei wie Salz.«
    Weitere Rufe wurden um die Feuer hinter ihnen laut, aber Schwarzbart war ganz in Erinnerungen versunken. » Eine Pistolenkugel hat ihn seinen Arm gekostet«, begann er. » Wir mussten ihn abhacken und den Stumpf mit Teer bestreichen. Hätte nie gedacht, dass ein Mann seines Alters so etwas überleben würde. Aber am nächsten Tag hätte man geschworen, dass er alles vergessen hatte – er hat nichts anderes getan, als mich zu beobachten. Die Geister machten mir damals ziemlich übel zu schaffen und ich trank zwei- oder dreimal am Tag einen Rum mit Schießpulver. Und obwohl die Magie in der Alten Welt seit Jahrtausenden vertrocknet ist, hatte er ihre alten Fußabdrücke aufgespürt und ihre Knochen gefunden … und sie studiert. Er wusste, was mein Problem war, und hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie ich von all diesen Geistern verseucht worden war. Er erbot sich, mich von ihnen zu heilen – sie zu exorzieren –, wenn ich ihm zeigte, wo genau ich sie mir eingefangen hatte. Ich sagte, in Ordnung, lass uns gehen, aber er sagte, nicht so schnell. Wir brauchen ein Mittel, das die Geister abstößt, sagte er, dieses spezielle Medizinkraut, das die Indianer in Carolina anbauen – ich sollte nach Norden segeln und welches besorgen –, und er, so erklärte er, müsse nach England zurückfahren, um zweierlei zu holen: seine Tochter und den Kopf seiner Frau, wie es scheint. Er hatte nur aus einem einzigen Grund begonnen, der noch lebendigen Magie nachzuspüren: Er wollte seine Frau zurückholen. Aber bevor er nach England zurückkehrte, kam er mit

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