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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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fetten jungen Wurm machen, wenn ich ihn finde! Prometheus hat nie so gelitten, wie Leo Friend leiden wird, das verspreche ich Euch …«
    » Nein«, sagte Davies nachdenklich, » keiner meiner Jungs segelt mit Thatch nach Norden. Ich lasse lieber so viele Männer auf der Jenny, dass sie bis zum Rand der Bordwände im Wasser liegt, als zuzulassen, das …«
    Hurwood hatte vor Ungeduld auf der Stelle getanzt, und nun verdrehte und schloss der tobende Mann die Augen, ballte die Faust und hob sich langsam aus dem Sand, bis er etwa einen Schritt über dem Boden schwebte. Er öffnete die Augen – nur einen Spalt breit –, zischte verärgert und presste die Augenlider noch fester zusammen. Dann schleuderte es ihn wie eine Marionette auf See hinaus, wo er mit einem gewaltigen Platschen weit draußen vor der Brandung aufschlug.
    Es waren nicht wenige Piraten am Strand, und viele von ihnen hatten bei ihren verschiedenen Tätigkeiten innegehalten und diese Vorstellung staunend beobachtet. Jetzt waren alle Blicke auf See gerichtet, wo das von Hurwood aufgeworfene Wasser in die Wellen zurückklatschte.
    » Fischt ihn heraus!« , rief Davies den nächststehenden von ihnen mit rauer Stimme zu. Sogleich liefen die Männer zu einem Boot, zogen es zum Wasser hinunter und brachten die Riemen aus. An Shandy gewandt murmelte Davies: » Du willst das Mädchen finden, richtig?«
    » Richtig.«
    » Und ich will mein Schiff finden. Sehen wir also zu, dass wir Hurwood an Bord der Jenny bekommen, bevor er seine Flugkünste verfeinert und davonflattert, um beides ohne uns aufzuspüren.«
    Die Seemänner hatten ihr breites Boot inzwischen bis in die Brandung geschoben. » Bringt ihn nicht hierher zurück«, rief Davies ihnen zu, » sondern gleich auf die Jenny!«
    » Aye, aye, Phil«, brüllte einer der Piraten zurück, der bereits an den Riemen saß.
    Davies packte Shandy an der Schulter. » Zurück ins Lager, Jack«, befahl er. » Schick so viele Matrosen der Carmichael, wie die Revenge aufnehmen kann, zu Bonnetts Besatzung – den Rest bringst du hierher und schaffst sie an Bord der Jenny. Aber keiner von unseren Freunden segelt auf Queen Anne’s Revenge, verstanden?«
    » Aber sicher, Phil«, antwortete Shandy. » Ich werde sie in drei Minuten hier bei den Booten haben.«
    » Gut. Geh.«
    Shandy lief los und hatte die Leute an den schwelenden Kohlenhaufen noch nicht ganz erreicht, als Trauerkloß ihn am Oberarm festhielt. Die braunen Augen des Bocors funkelten ihn aus dem breiten, schwarzen Gesicht an. » Du verdammt langsam, Junge«, sagte der Mann. » Ich dachte, du bringst Dinge flussaufwärts in Ordnung. Zu spät jetzt, um noch so leicht zu sein – jetzt musst du ihn an Land töten und verbrennen.«
    » Wen töten?«, platzte Shandy heraus und vergaß dabei ganz, dass der Mann taub war.
    » Du segelst nicht auf der Queen Anne’s Revenge«, sagte Trauerkloß.
    Shandy, der sich erst jetzt der Taubheit des Bocors erinnerte, schüttelte den Kopf und setzte eine aufrichtige, zustimmende Miene auf. Er stand schon auf Zehenspitzen und hoffte, dass der riesige Bocor ihn nicht noch weiter hochziehen würde.
    » Nein, Sir!«, brüllte er.
    » Ich habe nicht fünf Jahre auf dich gewartet, damit du eine seiner Marionetten wirst und stirbst, nur um mehr Blut zu liefern und seine Sterbeszene überzeugender zu gestalten.«
    » Ich fahre nicht mit ihm!«, sagte Shandy laut und übertrieb die Bewegung seiner Lippen. Dann fügte er hinzu: » Was meinst du mit ›fünf Jahre‹?«
    Trauerkloß schaute sich um – niemand schenkte ihnen besondere Beachtung, und er senkte die Stimme zu einem Flüstern, das immer noch ein Knurren war. » Als der Krieg der weißen Männer endete und jeder sehen konnte, dass Thatch zu viel gelernt hatte.«
    Shandy konnte nicht erkennen, ob dies eine Antwort war oder etwas, das Trauerkloß ohnehin hatte sagen wollen.
    » Er ist mit einer Menge durchgekommen, weil er sich selbst einen Kaperfahrer nannte«, sprach der Bocor weiter. » Die Engländer lassen ihn in Ruhe, solange sie denken, dass er nur spanische Schiffe nimmt. Aber er hatte kein Interesse an irgendwelchen Unterschieden zwischen spanisch, englisch oder holländisch, nur an Menschenleben und Blut. Er hat sogar diesen alten englischen Magier getötet, mit dem er studiert hatte, und dann versucht, ihn zurückzubringen.« Trauerkloß lachte. » Ich helfe ein wenig, damals, bringe eine Schildkröte dazu, das Blut im Wasser zu fressen. Hätte ohnehin nicht sehr lange

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