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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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ölige Wasser. » Ich werde mich nach den Sternen richten.«
    Shandy blickte auf. Das hohe Dach aus flechtenbehangenen Zweigen und ineinander verwobenen Schlingpflanzen war so dicht wie die Decke einer Kathedrale.
    Auch in der nächsten Stunde rief Shandy immer wieder nach den anderen Booten, ohne Antwort zu erhalten, zuckte Beth mit keinem Muskel, ruderte Davies weiter durch das Gewirr der gewundenen Kanäle, während der Nebel stetig dichter wurde. Er beobachtete die langsame Strömung und versuchte, ihr zu folgen. Das wurde jedoch immer wieder vereitelt durch Kanäle, die sich als Sackgassen erwiesen, und Bereiche, in denen die Strömung landeinwärts zog. Endlich stießen sie auf einen breiten Kanal mit starker Strömung. Shandy war froh darüber, denn die Fackel wurde ständig schwächer.
    » Das muss jetzt gehen«, stieß Davies hervor, während er in die Mitte der Strömung ruderte.
    Shandy sah, dass Davies zusammenzuckte, wenn er an den Riemen zog, und plötzlich fiel ihm wieder ein, dass Davies sich bei dem Wurf der Lehmkugel nach dem Sumpf- Loa die Hand verbrannt hatte. Er wollte gerade darauf bestehen, ihn an den Riemen abzulösen, als einer der Pilzköpfe am Ufer den Mund auftat. » Sackgasse«, krächzte er. » Haltet euch nach links. Schmaler, aber ihr werdet durchkommen.«
    Zu seiner Überraschung glaubte Shandy, die Stimme zu erkennen. » Was?«, rief er der weißen Kugel mit den verschwommenen Zügen hastig zu.
    Der Pilz antwortete nicht und Davies hielt seinen Kurs den breiten Kanal entlang bei.
    » Der Pilz hat gesagt, dies sei eine Sackgasse«, meinte Shandy nach einem Moment.
    » Erstens«, erwiderte Davies, dessen Stimme heiser vor Erschöpfung war, » steckt der Pilz im Schlamm, also sehe ich nicht, wie er es wissen kann. Und zweitens, warum sollten wir annehmen, dass er uns einen aufrichtigen Rat geben will? Wir haben vorhin beinahe Wurzeln geschlagen – dieser Bursche hat es offensichtlich. Warum sollte so jemand uns einen aufrichtigen Rat geben wollen? … Unglück liebt Gesellschaft.«
    Shandy runzelte zweifelnd die Stirn und schaute zu der kleinen Flamme der Fackel hinüber. » Aber diese Pilze … ich denke nicht, dass sie das sind, wozu wir uns verwandelt hätten. Wir wurden alle zu normalen Pflanzen – Blumen und Büschen und was weiß ich nicht alles. Und wir schienen alle unterschiedlich zu sein. Diese Pilze sind alle gleich …«
    » Zurück, Jack«, meldete sich ein anderes von den kugeligen weißen Gebilden zu Wort. Wieder glaubte Shandy, einen vertrauten Tonfall zu hören.
    » Wenn überhaupt«, sagte Davies halsstarrig, » wird dieser Kanal breiter.«
    Einer der Pilzbälle hing von einem Baum über dem Wasser, und als sie ihn passierten, öffnete er sich einen Spalt und sagte: » Sümpfe und Treibsand voraus. Vertrau mir, Jack.«
    Shandy sah Davies an. » Das … das war die Stimme meines Vaters«, murmelte er unsicher.
    » Das … kann nicht sein«, knurrte Davies und legte sich noch stärker in die Riemen.
    Shandy wandte den Blick ab und sagte in die Dunkelheit vor ihm: » Links, sagst du, Dad?«
    » Ja«, wisperte ein anderer Pilz. » Aber hinter dir – dann mit der Strömung zum Meer.«
    Davies zog noch zweimal die Riemen durch, dann ließ er sie verärgert los. » Also schön«, sagte er und wendete das Boot. » Obwohl ich annehme, dass wir selbst als Pilzköpfe enden werden, um dem nächsten Haufen Narren, die sich hierher wagen, falsche Anweisungen zu geben.«
    Im zuckenden Fackellicht fanden sie eine Lücke im Ufer und Davies trieb das Boot widerstrebend hinein. Er ließ den breiten, steten Wasserlauf hinter sich. Das kühle weiße Licht von ein oder zwei Geisterbällen leuchtete für einen Moment hinter ihnen im Nebel.
    Der Nebel kam jetzt in dichten Schwaden stromabwärts, zog sich durch die verwobenen Zweige und Lianen wie Milch, die in klares Wasser tropfte; schon bald war er sehr dick und ihre Fackel nur noch ein diffuser, leuchtender, orangefarbener Fleck auf dem grau-schwarzen Gewebe der Nacht. Aber der Kanal, den sie gewählt hatten, war so schmal, dass Shandy, wenn er die Arme ausstreckte, das nasse Gebüsch zu beiden Seiten spüren konnte.
    » Die Strömung wird tatsächlich etwas stärker«, gab Davies widerstrebend zu.
    Shandy nickte. Der Nebel hatte die Nacht kühl gemacht, und als er zu zittern begann, kam ihm der Gedanke, dass Elizabeth nur ein leichtes Baumwollkleid trug. Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern.
    Dann passierte das

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