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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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ließ das Horn ertönen. Eine Schar verwil-derter Kinder versammelte sich und winkte gewissenhaft,
    bis der Zug außer Sichtweite war und bis Montag kein wei‐
    terer mehr auftauchte.
    Schließlich gab die Sonne ihren quälenden Griff auf, die Prärie färbte sich erst braun, purpur und golden und
    schließlich schwarz unter einem Himmel, der durchbro‐
    chen war von millionenfachen Explosionen flackernden
    Lichts aus leidenschaftslosen Welten in unvorstellbarer
    Ferne. Die Farmen waren nichts als die gelben Lichtflecke ihrer Fenster, und trotzdem ließ der Lokführer das Horn er-tönen, trotzdem versammelten sich winkende Kinder in
    der Finsternis.

    Der Lehrer schüttelte sich, um wieder zu sich zu kommen, während der Zug in Bundanyabba einfuhr. Die Stadt war
    eine Schliere aus Lichtern, kaum höher gelegen als die Prä‐
    rie, was ein wenig an die Lichter einer Schiffsflotte erinnerte, die bewegungslos auf einem ruhigen, dunklen
    Meer vor sich hintrieb.
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    Der Lehrer nahm die Sonnenbrille ab und verstaute
    sie in der Brusttasche. Die Sänger hatten aufgegeben und waren vermutlich damit beschäftigt, ihr Gepäck einzusammeln oder die Trägheit eines kleinen Nickerchens abzu‐
    schütteln.
    Der Freitagszug rumpelte durch die Stadt, und der Leh‐
    rer blickte auf Reihen von Schindelhäusern, die auf winzigen Grundstücken gebaut waren, als mangelte es an Platz oder als müßten sie sich zusammendrängen, um eine Fe-stung gegen die Einsamkeit des Hinterlandes zu bilden.
    Seit der beiden Schulferien, die er in Bundanyabba ver‐
    bracht hatte, kannte der Lehrer den Ort ziemlich gut. Er war im gechlorten Schwimmbad geschwommen, hatte
    Kinovorstellungen besucht und das starke Büchsenbier ge‐
    trunken, das von der Küste per Bahn hergekarrt werden
    mußte, und damit das vorhandene Unterhaltungsangebot
    ausgeschöpft. Er wünschte, es gäbe ein Flugzeug, das noch an diesem Abend Richtung Osten flöge.
    Der Zug hielt mit erleichtertem Klappern an, als wäre er froh, endlich angekommen zu sein, überrascht, die Prärie einmal mehr erfolgreich durchquert zu haben. Grant trug
    seine Koffer durch das geschäftige Treiben des Bahnhofs
    und reichte einem Schaffner seinen Fahrschein. Die Karte für die Rückfahrt verstaute er für den Moment, da er wieder
    durch diese Schranken gehen würde, in der Brieftasche.
    Den stummen Hinweis der zerrissenen Fahrkarte, daß er Ti‐
    boonda nicht zum letzten Mal gesehen hatte, ignorierte er.
    Vor dem Bahnhof warteten mehrere Taxifahrer, die um
    Kunden warben. Der Lehrer suchte sich einen aus und
    nannte ihm die Adresse des Hotels, in dem er für die Nacht
    ein Zimmer gebucht hatte.

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    «Das erste Mal in Yabba?» fragte der Taxifahrer, wäh‐
    rend er durch breite Straßen fuhr, gesäumt von Gebäuden mit pfostengestützten Markisen, die aussahen, als litten sie an Rachitis.
    «Ja», log der Lehrer.
    «Bleiben Sie lange?»
    «Bis morgen.»
    «Was für ein Jammer. Sie sollten sich etwas mehr Zeit
    für Yabba nehmen.»
    Man könnte meinen, der Fahrer versuche eine Stadtfüh‐
    rung zu verkaufen, dachte der Lehrer, aber ihm war schon bei seinen letzten Besuchen aufgefallen, daß die Leute aus Bundanyabba ausgesprochen patriotisch waren.
    «Und Sie meinen, das lohnt sich?» fragte er.
    «Auf jeden Fall, würde ich sagen. Jeder mag Yabba. Ist der beste Ort in ganz Australien.»
    «Ach, wirklich? Und warum?» Er wußte, daß er ein
    Risiko einging; der Drang der Menschen von Bundany‐
    abba, Monologe über die Vorzüge ihres Ortes zu halten,
    benötigte weniger Ermutigung als das. Aber er brauchte ja nur für die Dauer der Taxifahrt zuzuhören.
    «Na ja», sagte der Fahrer, «es ist ein freier und ungezwungener Ort. Niemand kümmert sich darum, wer du
    bist oder wo du herkommst; solange du ein guter Kerl bist, geht’s dir gut. Ist ein freundlicher Ort. Ich bin seit acht Jahren hier. Bin aus Sydney hergekommen, weil ich eine
    schlimme Brust hatte. Die Brust hat sich in sechs Monaten erholt, aber ich denk nicht im Traum daran, Yabba zu verlassen.»
    Auch die übertrieben freundliche Art der Menschen aus
    Bundanyabba war dem Lehrer bei den früheren Besuchen
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    aufgefallen, er fand sie plump und peinlich. Angesichts der angeblichen therapeutischen Qualitäten der Stadt sah der
    Taxifahrer fahl und verhärmt aus, als hätte er einen Wechsel in das freundlichere Klima der Küste dringend nötig.
    «Versuchen Sie, ein bißchen länger zu bleiben»,
    drängte er, als der Lehrer ihn

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