In Furcht erwachen
hatten die langen Weihnachtsferien begon‐
nen, sechs Wochen bei vollem Lohn. Zwei Wochenlöhne
reichten für den Rückflug nach Sydney, damit blieben vier Wochenlöhne übrig, die er durch sorgsam geplante Ver-wandtenbesuche aufbessern konnte. Sechs Wochen am
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Meer, einfach nur im Wasser liegen und den Staub loswerden, der ihm in jede Pore des Seins gedrungen war.
Er verriegelte das letzte Fenster und sah. sich um. Ihm fiel der Geruch des Klassenzimmers auf, der ihm noch auf-dringlicher vorkam, wenn die Kinder weg waren. Ein Ge‐
ruch nach Kreide und Tinte mit einem Hauch von Kör‐
perschweiß,
verdorbenen
Sandwiches
und
braunen
Apfelgehäusen, vermischt mit dem Geruch nach Staub, den
seine Füße hochwirbelten.
Die Aktentasche in der Hand, trat er in die Sonne hinaus und zuckte zusammen, wie jedesmal, wenn sie ihn traf. Er konnte sich nicht an den Trick der Einheimischen gewöhnen, die Augen stets leicht zusammengekniffen zu halten.
Er drückte die Tür in den schiefhängenden Rahmen und
schloß ab. Dann schüttelte er den Kopf und fischte seine Sonnenbrille aus der Tasche. Das ganze Jahr, in dem er schon im Westen war, hatte er nicht herausgefunden, ob
die Sonnenbrille nun etwas nützte oder nicht. Trug er sie nicht, war das grelle Licht weiß, trug er sie, war es grau –
sofern grelles Licht überhaupt grau sein kann –, und die weißen Lichtstrahlen drangen von der Seite her wie spitze Steinsplitter in seine Augen.
Er versuchte, seine Lider so gut als möglich geschlossen zu halten, während er über den Schulhof ging, vorbei an dem Witz von einem Zaun, der aus dem weißen Staub in
die Höhe wuchs, um eventuell herumstreunende Kälber er‐
folglos daran zu hindern, auf den Spielplatz laufen.
Die Straße war nur durch tiefe Reifenabdrücke von der
Koppel zu unterscheiden, und der Lehrer spürte, wie seine Füße in die staubige Erde sanken.
Knapp hundert Meter vom Schulhaus entfernt befand Füße
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sich das Hotel und ganz in der Nähe davon der Bahnhof von
Tiboonda. Aus Holz und Eisen in jener gleichförmigen,
schachtelartigen Art gebaut, die typisch ist für die Architek‐
tur des Westens, prägten diese Gebäude das Stadtbild. Alle drei waren von roten Ameisen und Hausschwamm befallen
und standen so verloren in der Ebene, als wollten sie gar nicht erst ernsthaft versuchen, eine Stadt zu bilden.
Der Lehrer ging langsam und versuchte, keinen Staub
aufzuwirbeln. Kleine weiße Wolken zeigten an, daß seine
Schüler zu Fuß, auf Fahrrädern oder Pferden in alle Richtungen zu den Eisenbahncamps, Farmhäusern oder Einge‐
borenenhütten ausschwärmten, in denen sie lebten. Für sie bedeuteten die sechs Wochen Ferien, daß sie sechs Wochen
lang hierbleiben mußten, wo das Bett des Flüßchens trok-ken und rissig war und wo man das Trinkwasser mit dem Zug aus Bundanyabba herbeischaffen mußte. Alles, was sie unternehmen konnten, war im Staub zu spielen oder allen-falls die wilden Kamele zu piesacken, deren Vorfahren die Transporte im Landesinnern besorgt hatten.
Er erreichte das Hotel und ging über den morschen Bo‐
den der Veranda in die Bar. Dort war es schattig, aber nicht
kühl. In Tiboonda war es niemals kühl, außer in den Win-ternächten, dann drang einem die Kälte bis in die Knochen.
Im Winter sehnte man sich nach dem Sommer, im Sommer
sehnte man sich nach dem Winter, und das ganze Jahr über
sehnte man sich wie verrückt danach, tausend Meilen von Tiboonda entfernt zu sein. Aber er hatte sich zwei Jahre beim Erziehungsministerin verpflichtet, und wenn er
vorher ausstieg, verscherzte er sich die Bürgschaft, die sein Onkel geleistet hatte, weil er selbst blöd genug gewesen war, davon auszugehen, sein Auskommen als Lehrer zu fin-13
den. Also blieb er für ein weiteres Jahr hier, es sei denn, die Güte Gottes würde die Schulbehörde dazu bewegen, ihn
schon vorher in den Osten zu versetzen. Aber wahrscheinlich konnte Gott nicht allzuviel Güte erübrigen.
«Ein Bier, Charlie», sagte er zum Hotelbesitzer, der aus dem dunklen Hinterzimmer kam und aus welchem Grund
auch immer eine Weste über dem verschwitzten Hemd
trug.
Charlie zapfte das Bier.
In den abgelegenen Städten des Westens findet man nur
wenige Annehmlichkeiten der Zivilisation: Es gibt keine
Kanalisation, keine Krankenhäuser und kaum Ärzte; die
Nahrungsmittel sind fade und ohne Geschmack, weil sie so lange unterwegs waren; das Wasser ist schlecht; Strom haben nur die wenigen, die
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