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In Furcht erwachen

In Furcht erwachen

Titel: In Furcht erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Cook
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sich ein eigenes Aggregat leisten können, Straßen sind so gut wie keine vorhanden, ebenso-wenig wie Theater, Kinos oder Tanzsäle, und nur gerade
    eine Errungenschaft des technischen Fortschritts bewahrt
    die Menschen über tausend Meilen östlich, nördlich, süd‐
    lich und westlich des Toten Herzens vor dem totalen
    Wahnsinn: Das Bier ist immer kalt.
    Der Lehrer ließ seine Finger um das beschlagene Glas
    kreisen und unterdrückte die leichte Bitterkeit, die beim Anblick der bescheidenen Schaumkrone in ihm aufkam; im
    Grunde spielte es keine Rolle, und der arme Teufel von Hotelbesitzer mußte hierbleiben, während er doch in den
    Westen reiste.
    Er trank schnell und überschwemmte seine trockene
    Kehle mit einer Flut von Bier. Als das Glas halb leer war, trank er weniger hastig, damit der Alkohol seinen Körper entspannen konnte.
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    «Willst du dein Zimmer wiederhaben, wenn du zu‐
    rückkommst?» fragte Charlie und kratzte sich durch einen Riß im Hemd am Bauch.
    «Wo sollte ich denn sonst wohnen?»
    «Der Kerl vor dir hat in einem Wohnwagen gehaust.
    Hab mir gedacht, du suchst vielleicht auch eine kleine Ver‐
    änderung.»
    Der Hotelbesitzer bedachte ihn mit höhnischer Ironie,
    wie sich alle Leute hier über diejenigen lustig machten, die ihrer trostlosen Gegend keine Zuneigung entgegenbrach-ten.
    «Ich komm zurück.»
    «Ich werd versuchen, das Zimmer für dich freizuhal‐
    ten.» Die einzigen Dauergäste, die Charlie jemals hatte, wa‐
    ren die Lehrer der Schule in Tiboonda.
    «Danke.»
    Würden die Behörden die Schule schließen müssen,
    falls das Hotel zufällig niederbrannte? Oder stellte es dann einfach eine weitere kleine, hölzerne Kiste auf das Grundstück, um den Lehrer unterzubringen?
    «Nimmst du noch eins, John?»
    «Gern.» Er schob das Glas über den schmutzigen, zer‐
    furchten Tresen und zog eine Schachtel Zigaretten aus seiner Tasche.
    Es war beinahe zwei Stunden her, seit er in der Nach‐
    mittagspause geraucht hatte; die prickelnde Befriedigung
    ließ das Bier noch besser schmecken, und er sah den Hotel‐
    besitzer fast schon freundlich an, mußte den Blick aber rasch abwenden.
    Charlie hatte ihm das zweite Bier hingestellt und lehnte gegen das Regal mit denjenigen Flaschen, die die Illusion 15
    aufrechterhielten, daß es im Umkreis von fünfzig Meilen
    irgend jemanden gab, der daran dachte, etwas anderes zu trinken als Bier. Er kaute auf den Resten einer selbstgedreh-ten Zigarette herum, die sich langsam auflöste. Gleich
    würde er sie auf den Fußboden spucken.
    «Nimmst du den Zug um Viertel nach vier, John?»
    «Ja.» Er warf einen Blick auf die fetten, dreckigen
    Hände des Hotelbesitzers und beschloß, sich den Rest des Biers zu schenken.
    «Wir sehen uns in sechs Wochen, Charlie.»
    «Aber sicher, John. Bis dann.» Charlie grinste humorlos
    und ohne Wohlwollen, als sei die Rückkehr des Schulleh‐
    rers etwas, an das er nicht denken wollte.
    «Auf Wiedersehen, Charlie.» Und damit auf Wiederse‐
    hen stickiges Hinterzimmer und fetttriefende Mahlzeiten,
    die Charlies Freundin, ein Halbblut, in der schmutzigen
    Küche zubereitete; auf Wiedersehen schlaflose Nächte und
    trockene Dämmerung, in der das weiche Licht Erleichte‐
    rung von der Hitze vorgaukelte; auf Wiedersehen seinen
    achtundzwanzig Schülern und ihren argwöhnischen Eltern
    mit den verschämten Gesichtern; auf Wiedersehen Tibo‐
    onda, wenigstens für sechs Wochen.
    Seine beiden gepackten Koffer standen in der Bar bereit; er nahm sie und ging zur Haltestelle hinüber. Das einzige Gleis schwang sich in einer langgezogenen Kurve in die Prä‐
    rie hinaus und hob sich schwarz vom Staub ab. Am Horizont war eine kleine dunkle Wolke auszumachen, vielleicht
    das erste Anzeichen von Regen. Die Wolke bewegte sich
    kaum merklich das Gleis entlang. Der Viertel‐nach‐vier‐Zug
    würde etwa in einer halben Stunde in Tiboonda eintreffen.
    Er wünschte, er wäre noch etwas länger im Hotel ge‐
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    blieben, denn der angebaute Unterstand bot kaum Schutz
    vor der prallen Sonne, aber er fragte sich, was schlimmer war: die Sonne oder Charlie.
    Er nahm seine Brieftasche heraus, um noch einmal sei‐
    nen Lohnscheck zu überprüfen. Einhundertvierzig Pfund.
    Sechs Wochen Lohn plus Bezirkszuschuß. Es dürfte kein
    Problem sein, den Scheck einzulösen, um sich im Büro der Fluglinie ein Ticket zu kaufen; einen Scheck der Regierung akzeptierte wahrscheinlich jede Bank, sobald er sich ausge-wiesen hatte.
    Er hatte

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