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In Gedanken bei dir (German Edition)

In Gedanken bei dir (German Edition)

Titel: In Gedanken bei dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein , Lara Myles
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sie gedacht, als sie das Bild malte? An Alex?
Oder an ihn?
    Nicks
Atem flatterte, und er rang nach Luft wie ein Ertrinkender. Und genau so fühlte
er sich. Ohne festen Halt. Ohne Kraft. Und ohne Hoffnung. Er wollte
weitergehen, den Flur hinunter, aber er schaffte es nicht. Seine Knie zitterten
zu sehr. Er hielt sich an der Wand fest, lehnte sich mit der Schulter dagegen,
rutschte mit dem Rücken daran herunter und hockte sich, den Kopf gegen die Wand
gelehnt, auf den Boden.
    Ich
werde Jolie verlieren. Sie wird sterben, dachte er. Aber vorher werde ich sie
in den letzten Tagen ihres Lebens noch an Alex verlieren. Ich weiß, ich sollte
so was nicht denken, weil es doch Jolies Herzenswunsch ist, ihren Daddy
kennenzulernen. Aber ich kann nicht anders. Es tut zu weh, wenn einem das Kind,
für das man alles tun würde, wirklich alles, aus den Armen gerissen wird.
    Nick
keuchte, als wäre er zu schnell aus großer Tiefe aufgetaucht. Aber vielleicht
bin ich das, dachte er, gefühlsmäßig gesehen. Denn innerhalb weniger
Augenblicke bin ich ein anderer geworden, nicht mehr Jolies Daddy, nicht mehr
der Mann, der mit seiner Kleinen auf dem Arm in die Klinik rast, weil sie einen
Rückfall hat und das Fieber steigt, nicht mehr der, der sie auf ein Surfbrett
setzt und mit ihr zu den Delfinen hinausschwimmt, damit sie mit ihnen spielen
kann. Denn Alex ist jetzt da. Er ist ihr Daddy, nicht ich. Er ist ihr größer,
ihr letzter Wunsch.
    Mit
beiden Händen fuhr er sich übers Gesicht. In diesem Augenblick summte sein
Smartphone zwei Mal. Nick zog es aus der Tasche und rief die eingegangene SMS
auf:
     
     
    Samantha Finley – East Bay Homes
    August 12, 2012   8:17:48
    DR TALCOTT, ICH HABE EBEN EINE JUNGE FAMILIE DURCH IHR HAUS GEFÜHRT. DIE
AUGEN HABEN GELEUCHTET, DAS ANGEBOT ÜBERSTEIGT IHRE VORSTELLUNGEN. WIE GEHT ES
JOLIE?
     
     
    Während
er die Nachricht wegdrückte, kam Karen den Gang entlang. Sie wollte zu Cassie
und Alex. Mit Jolies Patientenakte unter dem Arm blieb sie vor Nick stehen.
Ihre Sohlen quietschten, als sie mit dem Rücken an der Wand herunterrutschte
und sich einfach neben ihn setzte.
    »Zweihundert
Milliliter, intravenös?« Sie sah ihn von der Seite an. »Ich habe einen starken
Kaffee aufgesetzt.«
    »Danke,
Karen.«
    »Nick,
ich tue, was ich tun kann«, beschwor sie ihn eindringlich.
    »Das
weiß ich.«
    »Ich
meine, nicht nur für Jolie. Sondern auch für dich. Nur weil Alex jetzt hier
ist, heißt das nicht, dass du nun gehen musst.«
    »Karen
...«
    »Du
wirst Jolie nicht verlieren, Nick. Sie liebt dich viel zu sehr. Sie braucht
dich, mehr denn je. Du bist ihr ... anderer Daddy, der immer für sie da
war. Der sie im Arm gehalten hat, als sie sich während der Chemotherapie immer
wieder übergeben musste, der sie gestreichelt hat, als während der Bestrahlung
ihre Haut aufbrach und nässte und juckte und schmerzte, der auf der
Kinder-Intensivstation neben ihr im selben Bett geschlafen hat, als sie im Koma
lag.«
    Er
wischte sich die Tränen ab.
    »Du
bist ihr Daddy, Nick – mehr als Alex es in den letzten Tagen ihres Lebens
überhaupt noch sein kann. Und genauso werde ich dich behandeln. Bis zu ihrem
letzten Herzschlag und bis zu ihrem letzten Atemzug.«
    »Danke,
Karen«, brach es mit Wucht aus ihm hervor, aber er spürte keine Erleichterung,
der Schmerz in ihm blieb derselbe.
    Sie
legte ihre Hand auf seine, die auf seinem aufgestellten Knie ruhte, und
streichelte sie ermutigend mit dem Daumen. Dann stand sie auf und sah auf ihn
herab. »Ich gehe jetzt zu ihnen.« Karen reichte Nick ihre Hand und zog ihn
hoch. »Du kannst in meinem Zimmer warten.«
    Als
er das Sprechzimmer erreichte, hatte Nick eine Entscheidung getroffen, die er
seit gestern aufgeschoben hatte. Er zog sein Smartphone heraus und wählte die
eingespeicherte Nummer.
     
     
     

     
     
     
    Das ganze Leben meines Kindes in eine dicke
Krankenakte gepresst ...
    Kann
man ein ausgelassenes Lachen beim Durchkitzeln und Herumtoben vor dem
Zubettgehen am Blutbild ablesen? Oder einen verzweifelten Weinkrampf, der so
schlimm ist, dass man davon einen stundenlangen Schluckauf bekommt?
    Sind
Freude und Leid messbar?
    Und
Glück – was ist das eigentlich?
    »Alex,
wir haben getan, was wir konnten«, versicherte Karen ihm eindringlich, als sie
seinen erstarrten Gesichtsausdruck bemerkte.
    Auf
einer Gefühlsskala von eins bis zehn lagen Glück und Schmerz ganz nah
beieinander am oberen Ende, dicht gefolgt von der Verzweiflung.
    Alex
legte seine Arme um

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