Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
Vom Netzwerk:
winkte ihn zurück und ließ mich mit einer Entschuldigung in den Sessel gegenüber fallen.
    «Es macht nichts, wirklich nicht», unterbrach er mich. «Hier ist es so herrlich gemütlich. Friedlich. Still. Warm.» Er sprach, als betrachte er sein Behagen als einen seltenen Hochgenuß, und in mir wallte Mitleid auf.
    Sie brauchten beide Pflege. Ich ging zur Tür und rief Ben, uns Tee zu bringen. Dann sagte ich: «Was für ein schöner Hund. Wie heißt er?»
    «Kip. Ich bin Jake Edwards. Er ist ein Wheaten-Terrier.» Er hielt inne und begann zu lachen. «Aber ich bin ein Versager.» Eine eigenartige Bemerkung, und so nahm ich keine Notiz von ihr. Ben brachte einen großen Teller mit warmen Teekuchen herein, zwischen denen die Butter hinunterlief, und einen Teller mit Schokoladenkuchen. Ich zerkrümelte einen Teekuchen für Kip, und der junge Mann nahm einen anderen. Sie verputzten alles, ehe der junge Mann sagte: «Ob ich ihn vielleicht bei Ihnen lassen könnte? Ich fürchte allerdings, ich kann nichts anzahlen, aber er braucht einen Platz wie diesen hier. Ein normaler Zwinger wäre sein Tod. Im Dorf hat man mir von Ihnen erzählt. Verstehen Sie, wenn Sie ihn nicht nehmen, muß ich...» Er verstummte.
    «Wie lange werden Sie fort sein?» fragte ich und wußte, wie das Ende des Satzes gelautet hätte. Ich konnte nicht ablehnen zu helfen, doch ich mußte geschäftsmäßig erscheinen, sonst wären wir noch beide sentimental geworden.
    «Ich weiß nicht.» Er sah aus, als würde er gern mehr sagen, hielt es aber für besser zu schweigen. Ich bot beiden noch einen Teekuchen an. Kip sah seinen Herrn erlaubnisheischend an, ehe ich ihm einen gab.
    Wir mußten die Kluft zwischen uns überbrücken. «Ich hab ihn Kip genannt, weil er so platt liegen kann wie ein Kipper, wie ausgenommener Lachs», sagte der junge Mann. Der Hund sah ihn durch einen dichten Pony anbetungsvoll an. Seine Augen waren nicht zu erkennen, aber alles an ihm strahlte Ergebenheit aus.
    «Platt wie ein gesalzener Lachs», sagte ich. «Ein Zeichen, daß er ein sehr zufriedener Hund ist.» Wir verstanden uns intuitiv, ohne vorhergehende Analyse. «Er kann bleiben, solange er möchte», sagte ich. «Kommt er gut mit anderen zurecht oder...»
    «Oder weniger gut?» Er lachte. «Er ist okay. Er wird so zurechtkommen wie nötig. Ich verspreche, er wird keinen Ärger machen.» Seine magere Hand fuhr immer wieder über den Kopf des Hundes, beruhigend, aber auch, als gestände er eine Niederlage ein. Er entschuldigte sich ein paarmal, keine Telefonnummer oder Adresse hinterlassen zu können. Er sei gerade irgendwo abgehauen, sagte er, und würde erst eine neue Bleibe finden müssen, wo sie beide leben könnten. Ich fragte nicht weiter, er wirkte furchtbar verletzlich. Er war höchstens zwanzig und so sensibel, daß ich Angst hatte, er könnte plötzlich weinen. Ich hätte ihn gern eingeladen, zum Essen zu bleiben, aber es hätte gönnerhaft gewirkt, so daß ich die leeren Teller und Tassen hinausbrachte, ebenso den Napf, aus dem Kip seinen Tee bekommen hatte, und sie zusammen allein ließ. In der Tür drehte ich mich um, aber sie merkten es nicht, sie sahen sich nur an und wußten so unendlich viel mehr, als ich wußte oder vielleicht jemals wissen würde: Ich hatte das Gefühl, sie sammelten alle ihre Kräfte, um mit diesem schweren Augenblick fertig zu werden.
    Ich meinte, ich sollte es Ben gegenüber nicht erwähnen. Ich redete über meine Käufe und den Kuchen und die Anrufe, und die ganze Zeit brannten in meinen Augen Tränen des Mitgefühls für das Drama, das zwei Türen weiter abrollte. Dies war kein normaler Pensionsgast, das wußte ich.
    Zwanzig Minuten später hörte ich die Haustür ins Schloß fallen. Kip stand steifbeinig, alle Muskeln seines Körpers gespannt, da und prägte sich den letzten Anblick seines Herrn ein. Ehe ich ihn erreichen konnte, sprang er mit einem hohen, markerschütternden Jaulen los. Es weckte alle Hunde im Haus und löste rasendes Gebell aus, und so schnell Jake Edwards auch rennen mochte, der Ton mußte ihn erreicht und sein Herz gebrochen haben. Aber ich wußte, daß er nicht zurückkommen würde. Kip sprang wieder und wieder gegen die Tür und kratzte wie rasend daran, während ich hilflos danebenstand. Dann hörte er ganz unvermittelt auf. Er sackte einfach in sich zusammen und blieb keuchend und leise wimmernd liegen. Ich versuchte, ihn zu trösten, aber er knurrte mich fort. Ich ließ ihn liegen und ging wieder in die Küche,

Weitere Kostenlose Bücher