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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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mir, ganz allein an mir. Eine Strafe für meine Raffgier. Ergatter eine antike Seidenbluse, verlier dafür den Mops einer Kundin. Und der Gewinn hatte noch dazu nur einen Ärmel. Ich würde mein Lebtag nicht mehr trödeln. Ich würde auch Haushaltsauflösungen und Ausverkäufen und Kirchenbasaren abschwören.
    Pearl war in der Tat nirgends in den Anrichtefächern. Demelza hatte inzwischen eine hektische Betriebsamkeit entfaltet. Sie hatte jeden Quadratzentimeter Zeitung zerfetzt und beschäftigte sich nun mit dem Karton selbst, zerriß ihn wie Mister Universum bei einer Demonstration seiner Kraft das Telefonbuch A—D von New York. Ich wischte das Wasser auf, das sie in ihrem Bemühen, das von uns zur Verfügung gestellte Kindbett zu verbessern, umgeschüttet hatte, und ließ sie dann allein, nachdem einige beruhigende Worte und Ermahnungen, sich doch ein wenig zu entspannen, ignoriert worden waren.
    Ben holte Emily. Wir teilten das Haus in drei Zonen auf und gelobten, überall das Unterste nach oben zu kehren. Ich blieb plötzlich auf der Diele stehen. «Jesus Maria!» rief ich. «Ich hab die Haustür offengelassen, während ich das Zeug reinholte. Sie könnte in den paar Minuten entwischt sein! Sie könnte jetzt schon halb zu Haus sein. Sie müßte die Schnellstraße überqueren. Sie könnte an der Stelle durch das Tor gekommen sein, wo sich der Wagen vom Bäcker im Maschendraht verfangen hat. Oder sie hat ein Loch in der Hecke gefunden. Oder...»
    «Hör auf», protestierte Ben. «Du hättest sie doch bestimmt gesehen!» Er beugte sich über das Treppengeländer, und der alte Bronzekronleuchter, an dem ein Nixenschwanz fehlt, wurde durch die Vibrationen der Angst in leichte Schwingungen versetzt.
    «Nicht unbedingt.» Ich fing an, den Stapel alter Pelzmäntel auf dem Sofa in der Diele zu durchwühlen, der im Winter dort lag, um Bösewichte vom Angriff abzuschrecken: Er deutete auf eine andauernde Party hin. Zwei schläfrige Motten zwinkerten mir zu und knabberten dann weiter.
    Emily trat oben an der Treppe zu Ben. «Hier oben ist sie nirgends», sagte sie. «Ich hab alle Schränke und Schubläden geöffnet, ich hab in die Betten geguckt und sogar unter die meisten. Hast du schon im Wintergarten nachgesehen?»
    «Ich glaube nicht, daß sie die Tür aufbekommen würde. Ich brauche eine Ewigkeit und dazu ein scharfes Messer, um hineinzukommen, seit sie gestrichen worden ist. Wenn sie das geschafft hat, werde ich sie für die Fenster einspannen.» Ich mußte verhindern, daß aus dem Drama ein Melodram wurde. Sagt man nicht, die Tragödie sei eine Fortsetzung der Komödie?
    «Dann muß sie draußen sein. Aber bei diesem Schnee wird sie nicht weit kommen. Ich wette, sie steht jetzt bibbernd an der Hintertür», sagte Ben, doch er klang nicht sehr überzeugt. Er kam die Treppe herunter und legte einen Arm um mich. Jetzt wäre ich nur noch mit hohen Absätzen größer gewesen. Sein Versuch, mich zu trösten, machte eine Menge Dinge erschreckend klar. Ben war nun erwachsen und würde bald seine eigenen Wege gehen; kein Mensch ist auf ewig völlig unabhängig von jemand anderem. Wenn ich mich nicht beeilte und Pearlie fand, würde sie auf der Veranda erfrieren.
    Aber sie war nicht da. Wir gingen wieder ins Haus. Die Schneedecke war nun geschlossen und in einiger Entfernung vom Haus stellenweise schon recht dick. Die Flocken schienen uns, ihres Sieges sicher, zu verhöhnen.
    «Ihr paßt auf Demelza auf», sagte ich. «Ich gehe wieder nach draußen.» Ich kam mir vor wie Scott vor dem Aufbruch in die Antarktis. Sie wandten nichts ein, sondern wechselten nur einen Blick. Dann ging Emily zur Entbindungsstation, und Ben zog Stiefel und Regenmantel an. Ich zog eine Regenhaut über einen ertrödelten Reitmantel und holte meine Stulpenstiefel, aber sie waren noch naß und kalt von der kürzlichen Expedition, so daß ich statt dessen die frisch erworbenen Bauernstiefel Größe 8 anzog. Drinnen war genug Platz, um außer meinen Füßen noch ein paar Mäuse unterzubringen, und es fühlte sich auch so an, aber ich konnte keine Zeit damit verschwenden, meine Neugier zu befriedigen. Wie ein draller Yeti mit Schal, Handschuhen und Pudelmütze aussehend, trat ich aus der Küchentür, wo Ben auf mich wartete. Er hatte sich eine braune Einkaufstüte über den Kopf gestülpt. «Du hättest doch die Jagdmütze nehmen können», sagte ich, aber er meinte: «Packpapier soll sehr gut isolieren.» Wir stapften gemeinsam in die kalte, feindliche

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