In glücklichen Umständen
Luft und stöhnte röchelnd. Ich hatte Todesangst. Die Töne waren gespenstisch. Wenn es sich nun um irgendeine furchtbare Komplikation handelte? Hetty war fort und ihr Vertreter drüben in Barley Bottom, wo sie eine zweite Praxis hatte. Ihr Helfer war vielleicht da, aber der war so schrecklich langsam. Ich hatte ihn mal angerufen, um eine Schildkröte mit einem verrenkten Hals zu behandeln, doch als er endlich kam, war die Schildkröte, Shelmerdine, verschwunden und krabbelte wahrscheinlich zur Kgl. Veterinärklinik, denn als sie zwei Tage später wieder auftauchte, ruckte ihr Hals munter vor und zurück wie ein Kolben.
Ich versuchte, Phyllis mit freundlichen und tröstenden Worten zu beruhigen, aber sie waren kein Ersatz für Hettys felsenfeste Zuversicht und schnelle Diagnosen. Phyllis lauschte recht aufmerksam, nahm sich Zeit für ein rasches Kratzen und beschnupperte die bewußte Partie. Ich entkrampfte mich ein wenig, doch als ich zur Tür ging, fing sie wieder an.
Emily und Adam kamen mit besorgtem Gesicht aus ihren Zimmern.
«Hört zu», befahl ich überflüssigerweise. Man hätte die Laute in der ganzen Grafschaft hören können. An der Küste wären sie vielleicht für eine Nebelwarnung gehalten worden.
Em rannte an mir vorbei, und ich hörte, wie sie Phyllis etwas ins Ohr flüsterte. Die Töne wurden leiser, hörten dann auf, und alles war still. Sie hinterließen eine Leere, die fast noch schlimmer war. War sie tot? So was kommt vor. Ich würde Killarney Green sagen, daß wir bis zuletzt bei ihr waren. Ich würde schwören, kein Mensch hätte mehr für sie tun können.
«Sie hatte sich mit einer Kralle im Teppich verfangen», sagte Em, ehe sie mit der Wasserschüssel nach unten lief.
Eine halbe Stunde später, wir besprachen gerade das Mittagessen, sagte Adam: «Ich hab einen Brief von Mama für dich.» Er gab mir einen dicken blauen Umschlag, der allein so viel gekostet haben mußte wie meine ganze Schachtel mit ungefütterten Hüllen. Wenn ich reich bin, werde ich das schwerste und steifste Schreibpapier kaufen, halb so viele Worte machen wie jetzt, nur etwa acht pro Blatt, und niemals, niemals die Rückseite benutzen.
Adams Mutter schrieb, sie lege einen Scheck für Ladys Pensionskosten bei, von dem Rest könnten die Kinder einen Ausflug machen. Sie hätten davon für eine Woche nach Disneyland fahren können. Sie hoffe, in unserem wundervollen Haushalt sei alles in Ordnung. Es war nett von ihr, das hinzuzufügen, denn dahinter hörte ich ihren erleichterten Seufzer, daß sie nicht dazugehörte. Sie war mit herzlichen Grüßen die meine, und der Scheck auch - von ihm würde ich wenigstens zwei Jahre lang die Gemeindeabgaben zahlen können. Zumindest war sie unerhört großzügig, und ich bin sicher, daß sie sich nie die Mühe machte zu rechnen. Ich schätzte, daß ich mir nun vielleicht eine neue Pumpe für unsere kränkelnde Warmwasserversorgung leisten könnte. Das Badezimmer war ein Eispalast.
Auch Emily hatte einen Brief von zu Haus mitgebracht.
Mir fiel ein, daß er immer noch ungeöffnet auf meinem Nachttisch lag. Es war so vieles passiert, daß ich gemeint hatte, einige Dinge könnten ruhig warten. Ich ließ sie allein weiterdiskutieren über Würstchen oder Fischstäbchen und ging nach oben. Nach ein paar einleitenden Nettigkeiten schrieb Emilys Mutter: «... und deshalb halten wir es für angebracht, sie nun auf ein Internat zu schicken. Seitdem sie zu Ihnen auf die Dorfschule gekommen ist, hat ihr Bein Fortschritte gemacht, die über unsere kühnsten Erwartungen hinausgehen, ebenso ihr Selbstbewußtsein. Ab September müßte sie in die nächste staatliche Oberschule oder in eine Privatschule gehen und jeden Tag zur Küste und zurück fahren, und wir meinen, die vielen Fahrten im Winter...» Ich setzte mich aufs Bett und hatte das schreckliche Gefühl, mein Leben werde in Stücke gehackt und bedächtig unter die Wölfe verteilt.
Aber ich mußte einsehen, daß es für Emily besser war, in die größere Welt hinauszugehen. Die Zeit pflegt nun mal die Mosaiksteine zu verschieben, damit immer wieder ein anderes Bild entsteht.
* 11 *
Pa meldete ein R-Gespräch an, kurz bevor Hosanna kam. Mir blieb nichts anderes übrig, als es anzunehmen.
«Liebling, ich hab so darauf gewartet, daß du wieder anrufst», sagte ich, was stimmte, denn in einer sich wandelnden Welt war er das einzige, was gleich blieb.
«Ich hab nicht gesagt, daß ich es tun würde, oder?»
«Du hast auch nicht gesagt,
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