In goldenen Ketten
erzählt?«
»Er wußte es! Aber er und Daddy
Warren gehörten demselben Klub an; solange ihre kostbaren Namen nicht durch den
Dreck gezogen wurden, sollten alle anderen bloß grinsen und es eben ertragen.«
»Und nach der Scheidung zog sie
wieder hierher zu Ihnen?«
»Aber sie war nicht mehr
dieselbe — wie hätte das auch möglich sein sollen? Sie war froh, wieder die
Unterhaltszahlung anzunehmen, die Ray ihr gab, denn er hatte ja in erster Linie
ihr Leben zerstört, und Geld war ein geringer Ersatz dafür. Ich versuchte, sie
wieder am Mannequinberuf zu interessieren, aber da war nichts zu machen. Sie
trieb sich mit einer Bande schlapper Strolche herum, die keine Hippies sein
konnten, denn ihre Energie reichte nicht aus, sich einen Gänseblümchenkranz zu
flechten! Das war schon schlimm genug, aber dann tauchte — aus irgendeinem
Abwasserkanal — Ross Mitford auf.«
»Wenn er so schlimm war, warum
hat sie sich dann mit ihm eingelassen?« fragte ich.
Jackie Erikson rümpfte die
Nase. »Sie haben soeben Ihre eigene Frage beantwortet. Sie war von der
verrückten Idee besessen, je tiefer sie sänke, desto mehr würde Ray bestraft
für das, was er ihr angetan hatte. Vermutlich haben Sie gehört, wie eine
gewaltige Schere dieses Drama beendet hat?«
»Und beide landeten im
Sanatorium«, sagte ich. »Nur ging Mitford zwei Wochen später um zwanzigtausend
Dollar reicher daraus hervor.«
»Dachte ich mir doch, daß Ray
ihn bezahlt hat, damit er den Mund hält«, sagte sie grimmig. »Nun werde ich
Ihnen etwas erzählen, was Sie nicht wissen können, weil Ray es auch nicht weiß.
Gerry Shoemaker ist sich im klaren darüber, daß ich
Ray Paxton nicht einmal eine Pistole gäbe, damit er
sich erschießen könnte, bevor ihn ein paar Krokodile bei lebendigem Leib drei
Zentimeter pro Tag auffressen würden — angefangen bei den Füßen! Gerry murmelt
und weicht aus und schmeißt mit seinem psychologischen Jargon um sich, den er
meiner Ansicht nach nicht mal selbst versteht. Aber zwei Dinge sind sonnenklar,
wie Ursache und Wirkung. Die Ursache ist LSD. Gerry sagt, einige Leute können
einen Trip machen und zurückkehren, ohne daß sie sich geschadet haben, während
andere hinterher nie wieder dieselben sind wie vor dem Trip.«
»Sie sind sozusagen innerlich
verbogen?«
»In Carmens Fall war das noch
schlimmer durch die Erkenntnis, daß sie Mitford umbringen wollte, und es war
reines Glück, daß es nicht dazu kam. Gerry behauptet, sie habe es als das
Äußerste an Betrug empfunden, als sie hörte, daß er bereit war, das Geld von
Ray anzunehmen. Der große Bruder hatte wieder gewonnen; und sie haßte Mitford,
weil er das zugelassen hatte. Während der ersten paar Tage im Sanatorium mußte
man sie dort unter schweren Beruhigungsmitteln halten, und ein paar Wochen lang
hinterher hat sie mit niemandem gesprochen. Dann begann sie schnelle
Fortschritte zu machen, und vor ungefähr einem Monat erzählte sie Gerry ihr
großes, leuchtendes Geheimnis. Sie war froh, daß sie Mitford nicht umgebracht
hatte — obwohl er ihr persönlich völlig egal war — , aber die Zeitungsstories hätten sonst Rays Karriere vernichten
können!«
»Hm?« Ich starrte sie an.
»Das Beste kommt noch! In jeder
Sitzung, die sie seither hatten, wiederholte sie, daß ihr nun klargeworden sei,
wie sehr sie sich in bezug auf ihren großen Bruder
getäuscht habe! Er war jetzt der Ritter in der schimmernden Rüstung, der
niemals aufgehört hatte, für Wahrheit, Gerechtigkeit und die richtige
Lebensform für seine kleine Schwester zu kämpfen. Das Problem hatte bisher
darin gelegen, daß sie zu dumm gewesen war, ihn richtig zu sehen. Gerry
erzählte, sie habe von der Zeit des Todes ihrer Eltern angefangen und erklärt,
wie recht Ray gehabt und wie sie in jedem Punkt, an den sie sich erinnerte,
unrecht gehabt habe.«
»Und das hat alles das LSD bei
ihr bewirkt?« fragte ich verwundert.
»Gerry weiß es nicht genau,
deshalb wollte er sie ja noch länger unter Beobachtung im Sanatorium halten. Er
sagt, er mache sich keine besonderen Sorgen darüber, daß diese seelische
Veränderung ihren Bruder in anderem Licht erscheinen ließe, solange sie nur
andere Dinge auf rationale Weise betrachten würde. Es könne sich dabei auch um
etwas ganz anderes handeln, vielleicht um eine Art Sühne?«
»Ich glaube, so ungefähr kriege
ich es mit«, murmelte ich.
»Wenn es das ist, macht es ihm
Sorge«, sagte sie. »Er sprach von einem Pendel, das zu weit nach der
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