Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
einen Irren, der seine eigenen
Grenzen nicht kennt?«
    »Nun, da ich weiß, daß Sie ein
eingefleischter Feigling sind, fühle ich mich plötzlich besser.« Sie seufzte.
»Versprechen Sie mir, daß wir in dem Augenblick, in dem Louey gesagt hat, wir sollen uns zum Teufel scheren, davonrennen?«
    »Ich frage mich«, sagte ich
bedächtig, »ob der richtige Augenblick, davonzurennen, nicht der ist, in dem er
die Tür öffnet?«
     
     
     

FÜNFTES KAPITEL
     
    B ei näherer
Betrachtung wirkte das Haus, als habe es bessere Zeiten gesehen. Der Druck auf
den Lichtschalter im Vorraum bewirkte kein Licht. Ich drückte mir selbst den
Daumen, daß das verstohlene Rascheln, das ich hörte, nur von Ratten her
stammte. Es bedurfte dreier Zündhölzer, um den Klingelknopf zu finden, und als
ich darauf drückte, klang der aus der Wohnung herausdringende Laut wie der
einer wild gewordenen Alarmanlage.
    »Wenn jemand drinnen geschlafen
hat«, flüsterte Jackie, »so tut er das jetzt jedenfalls nicht mehr.«
    Ich wartete ungefähr zehn
Sekunden, während uns die Dunkelheit um uns herum einzuengen schien, und
drückte erneut auf den Klingelknopf. Alles, was mir das einbrachte, war das
bestimmte Gefühl, daß sich die auf meinen Kopf pressende Finsternis allmählich
in eine solide Masse verwandelte, die mich jede Minute zermalmen konnte. Ich
zündete ein weiteres Streichholz an und bemerkte plötzlich, daß die mit einer
dicken Schmutzschicht überzogene Wohnungstür spaltbreit offenstand. Ich legte
die Fingerspitzen in die oberste Täfelung, stieß versuchsweise zu und stellte
fest, daß sich der Spalt verbreiterte. Meine Hand fummelte an der Wand hinter der
Tür herum, bis sie den Lichtschalter ertastete, und dann erhellte sich eine
trübe, mit Fliegenklecksen besprühte elektrische Birne im Gang der Wohnung.
    »Rick?« sagte Jackie in einem
Ton, der offensichtlich als Flüstern gedacht war, aber wie ein unterdrückter
Schrei herauskam. »Da ist niemand zu Hause, also tun wir das, was uns Louey gesagt hätte, scheren wir uns zum Teufel!«
    »Schauen wir jedenfalls mal
rein«, sagte ich.
    Sie folgte mir ins Innere der
Wohnung, vermutlich nur, weil sie das dem im Dunkeln allein Draußenbleiben vorzog. Ich knipste das Licht im Wohnzimmer an, warf einen flüchtigen Blick
hinein, sah, daß es leer war, und ging deshalb weiter den Gang entlang.
    »Wohin gehen Sie denn jetzt?«
fragte Jackie mit tremolierender Stimme.
    »Ich sehe in den anderen
Zimmern nach«, sagte ich.
    »Ich werde hier warten.« Sie
stieß die Wohnzimmertür auf und blieb dann einen Augenblick stehen, um mir
einen giftigen Blick zuzuwerfen. »Und wenn Ihnen irgendwas Scheußliches zustößt,
solange Sie weg sind, vergessen Sie ja nicht zu schreien!«
    Die Wohnung war nicht sehr
groß. Die drei restlichen Räume machten einen seltsam unbewohnten Eindruck —
ungefähr so, als ob jemand nur einen Tag in der Woche in die Wohnung käme und
auch dann nur so lange dort bliebe, um sich eine Tasse Kaffee aufzubrühen. Ich
fragte mich flüchtig, was Mitford wohl mit den zwanzigtausend Dollar von Paxton angefangen hatte, da er bereits in einem solchen
Loch hauste? Ein verteufeltes Absinken gespannter Erwartungen, dachte ich,
während ich ins Wohnzimmer zurückkehrte. Kein Louey ,
kein Mitford, und Jackie hatte sich für nichts und wieder nichts zu Tode
geängstigt. Im nächsten Augenblick stieß mein Fuß gegen etwas Weiches, aber
Massives, ich stolperte und fiel der Länge nach auf die Nase.
    Ich stand unbeholfen auf, und
meine wohlassortierten Flüche erstickten mir in der Kehle, als ich sah, worüber
ich gestolpert war. Ein ebenso weiches wie fülliges Cowgirl lag ausgestreckt mit geschlossenen Augen auf dem Boden, ihr Atem ging ruhig,
und sie wirkte sehr entspannt. Wie entspannt, merkte ich gleich darauf, als ich
den schlaffen Körper aufhob, fünf oder sechs Schritte durch das Zimmer
stolperte und sie in einen Sessel gleiten ließ.
    Der berühmte Guß Wasser ins Gesicht erschien mir eine allzu brutale
Methode, sie aus ihrem ruhigen Schlaf zu wecken. Also tätschelte ich ihre Hände
zwischen den meinen und wiederholte mehrere Male laut ihren Namen. Es war
dieselbe klassische Szene, die wahrscheinlich ursprünglich schon im ersten Stummfilm
auftauchte. Ich hatte das nervös machende Gefühl, daß jeden Augenblick der
Regisseur auf der Schwelle aufkreuzen würde — in einem Kavalleriehemd und
Knickerbockers — , mit dem Megaphon auf mich zeigen und »Schnitt!« rufen

Weitere Kostenlose Bücher