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In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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würde.
    »Jackie!« knurrte ich,
schätzungsweise zum zwanzigstenmal . »Was sind Sie
denn? Ein Nachkomme von Rumpelstilzchen?«
    »Was?« murmelte sie.
    »Der Damm ist gebrochen«, sagte
ich mit sadistischer Befriedigung. »Alles ist bereits in die Berge geflüchtet.
Wir haben noch genau dreiunddreizehntel Sekunden
Zeit, bis eine fünfzehn Meter hohe Wasserwoge den Hühnerstall erreicht!«
    Sie blinzelte ein paarmal, dann
öffneten sich ihre Augen weit — und immer weiter — , während sie mich starr
anblickte, als befände sie sich in einem von Entsetzen erfüllten Trancezustand.
Ihr Mund klappte weit auf, und sie holte tief, tief Atem. Gerade rechtzeitig
gelang es mir, mit der Hand ihren Mund zu bedecken, so daß der geplante,
durchdringende Schrei auf ein unzusammenhängendes Gegurgel gedämpft wurde.
    »Ich habe wegen des gebrochenen
Damms bloß Spaß gemacht — wirklich«, sagte ich verzweifelt. »Zwischen hier und
Boulder Dam befindet sich keine fünfzehn Meter hohe Wasserwoge, und der
Hühnerstall wird für alle Zeiten stehen bleiben.«
    Sie warf, wie mir schien, verdammt
lange den Kopf heftig hin und her. Ihre Augen starrten mich mit eindeutig
mörderischem Haß an, bis sie plötzlich aufhörte, sich zu wehren, und ihr Körper
schlaff vor Erschöpfung wurde. Im täuschenden Gefühl meiner nunmehrigen
Sicherheit lockerte ich den Griff um ihren Mund. Im nächsten Augenblick gruben
sich ihre Zähne wild in den fleischigen Teil meiner Handfläche. Ein paar
quälende Sekunden lang preßte sie die Zähne fest zusammen, und ich konnte
nichts dagegen unternehmen, da ich ihr schließlich nicht die Faust zwischen die
Augen knallen konnte. Vielleicht hätte ich es doch getan, aber ihre Kiefer
ließen plötzlich locker, so daß ich meine zerfleischte Handinnenfläche zwischen
ihren kannibalischen Zähnen hervorziehen konnte.
    »Sie haben mir nicht erzählt,
daß Sie einmal von einem tollwütigen Hund gebissen wurden?« stöhnte ich.
    »Sie haben wegen dem
gebrochenen Damm bloß Spaß gemacht«, sagte sie in einem Flüsterton, der mir das
Blut gerinnen ließ. »Wie kommen Sie auf die Schnapsidee, Ihre idiotischen Abschweifungen
hätten mir Angst eingejagt?«
    »Was sonst?« fragte ich
zwischen Stöhnlauten .
    »Was sonst?« Meine Trommelfelle
bebten, als sie in freudloses Gelächter ausbrach. »Sie erinnern sich wohl nicht
mal mehr daran, daß Sie mich hier mutterseelenallein hereingehen ließen,
während Sie quietschvergnügt im Rest der Wohnung herumspaziert sind!«
    »Ich habe zuerst in dieses
Zimmer hineingesehen, und es war leer«, knurrte ich. »Weshalb regen Sie sich
also auf?« Wieder kam der Ausdruck des Entsetzens in ihre Augen. »Haben Sie
hinter der Couch nachgesehen?« fragte sie mit dünner Stimme.
    Es war dann eigentlich keine
Überraschung mehr, die Leiche hinter der Couch zu finden. Es war ein Mann, der
auf dem Bauch lag, den Kopf zur einen Seite gewandt auf den Armen ruhend. Irgendwie
wirkte er völlig entspannt, trotz der großen Schere, die so tief in seinem
Rücken steckte, daß nur die Griffe herausragten. Mein Magen hob sich ein
bißchen an, denn es handelte sich um einen dieser Augenblicke, in denen man
nicht umhinkann, sich zu wundern, wieviel Blut ein
einziger menschlicher Körper enthalten kann. Es tropfte noch aus der Wunde über
den Rücken und bildeten sich ständig erweiternde Pfützen auf jeder Seite des
Toten. Sowohl die Wand als auch die Rücklehne der Couch waren reichlich mit
feuchten, braunen Streifen versehen. Die Couch stand in einem Winkel von
fünfundvierzig Grad zur Wand. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, daß der
Mann am einen Ende der Couch gestanden haben mußte, als man ihn von hinten
erstochen hatte, und daß er dann zwischen den hinteren Rand der Couch und die
Wand gestürzt war.
    Ich ging hin, kniete neben
seinem auf den Armen ruhenden Kopf nieder und berührte ihn. Er war noch warm,
und so war anzunehmen, daß er erst seit kurzem tot war. Mein Blick fiel auf
etwas Blaues, das unter die ausgestreckten Finger seiner rechten Hand geklemmt
war. Ich hob sachte die Fingerspitzen an. Es war ein Streichholzheftchen. Ich
hob es an den Ecken hoch. »The Bravura Boutique« war
in moderner Goldschrift quer über die Klappe geschrieben, und darunter stand:
»Westwood Village .« Kleingedruckt stand unten auf
überaus informative, prahlerische Weise: »Und wieder ein Anhänger von Warrens
Qualitätswaren!« Wie gesagt, philosophierte ich vor mich hin, während ich

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