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In goldenen Ketten

In goldenen Ketten

Titel: In goldenen Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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möglich eine neue
Krücke finden muß. Daher meine plötzliche Beförderung!«
    »All dieser Quatsch, Sie
gehörten ihm — mit Leib und Seele — und der Rest dieses Unsinns?«
    »Es ist wie bei dem kleinen
Jungen, der den Gehsteig entlanghüpft und vermeidet, auf die Risse zu treten,
weil er weiß, daß ihm sonst etwas Schreckliches zustößt?« Sie schüttelte müde
den Kopf. »Bei Ray liegt der Fall nicht anders. Dieses ganze dumme Ritual
beschwichtigt irgendeinen primitiven Bezirk in den dunklen Tiefen seines
Gemütes. Die Äußerung des Glaubens und die Ergebenheit gegenüber dem Herrn —
monoton wiederholt — ist wichtiger denn je.«
    Sie blickte schnell zu mir auf,
und in ihren schönen saphirblauen Augen funkelte eine Spur von Heiterkeit. »Sie
haben häßliche Gedanken gehegt, Rick Holman «, sagte sie vorwurfsvoll. »So ungefähr, als ob ich
Ray in irgendeiner widerlich exhibitionistischen Weise Partnerschaft leisten
würde, zum Vergnügen seiner Freunde?«
    »Ich habe mich nur ein bißchen
gewundert«, murmelte ich.
    »Am ersten Tag, als ich den Job
als seine Sekretärin antrat, lauschte ich ihm stundenlang, während er in
Details jede Facette seines prachtvollen Talents schilderte«, sagte sie. »Am
zweiten Tag legte er freundlich, aber energisch unsere persönlichen Beziehungen
fest; es sei unvermeidlich, daß ich mich wahnsinnig in ihn verliebe, und das
bedaure er — großzügigerweise — aufs tiefste. Aber er
glaube, daß eine Beziehung, die sich sowohl auf die Arbeit als auch auf Sex
erstrecke, unvereinbar sei. Er habe nichts dagegen, wenn ich ihn
leidenschaftlich liebte, solange ich meine sexuellen Wünsche woanders
befriedige!«
    »So wie er das auch tut?«
    Sie zuckte leicht die
Schultern. »Vermutlich. Durchschnittlich ist er fünf Abende pro Woche aus, und
er kommt später heim als ein streunender Kater.«
    »Und trotzdem lieben Sie den
Burschen?« brummte ich.
    »Keine Frau kann einen Mann
lieben, der unfähig ist, diese Liebe zu erwidern«, sagte sie sachlich. »Ich
nehme an, es ist eine Art Gluckentrieb , den ich ihm
gegenüber empfinde. Tief in seinem Innern ist er nichts als ein verängstigtes
Kind, Rick! Sie haben doch gehört, wie ich ihm riet, als er den Wohnwagen
verließ, Mayers einzigen guten Textteil abzuschneiden? Bin ich Schauspielerin,
soll ich ihm erklären, wie man einen Charakterschauspieler, der die besten
Jahre weit hinter sich hat, von oben herunter behandelt? Nein, ursprünglich war
das Rays Idee, aber nun mußte das Ritual folgen. Wenn jemand anderer ihm sagt,
er solle es tun, dann ist alles in Ordnung. Er braucht sich nicht mehr als gemeiner
Hund vorzukommen, weil allein die Tatsache, daß ihm ein anderer wiederholt, was
er selbst gemeint hat, ausreicht, das Ganze zur Idee dieses anderen zu machen.
Weil nämlich dieser dadurch die Verantwortung übernimmt.«
    »Mir wirbelt der Kopf«, sagte ich
hilflos.
    »Hoffentlich finden Sie
Carmen«, flüsterte sie beinahe zu sich selbst. »Wenn ihr jetzt irgend etwas zustößt, wird er völlig überschnappen.«
    »Na, dann mache ich mich besser
wieder auf die Suche«, pflichtete ich bei. »Geht es Ihnen jetzt wirklich wieder
gut?«
    »Ausgezeichnet.« Sie legte ihre
Hand auf meinen Unterarm und drückte ihn ein paar Sekunden lang fest. »Sie sind
ein sehr netter Kerl, Rick, und ich hoffe, Sie wiederholen die
Abendessenseinladung, sobald meine blauen Flecken wieder geheilt sind.«
    »Der Abschluß eines
Waffenstillstands braucht seine Zeit«, sagte ich. »Allein die kleingedruckten
Fußnoten bedürfen Stunden der Verhandlung. Möglicherweise brauchen wir eine
ganze Reihe von Abendessensverabredungen dazu.«
    »Ich werde dafür sorgen, daß
der Studioarzt sein Bestes tut, um meine blauen Flecken schnell zu heilen«,
versprach sie. »Und morgen früh werde ich als erstes diese Metallkette
wegwerfen und mir einen Gürtel aus geflochtenen Blumen besorgen — die welken
bei der ersten Berührung.«
     
     
     

NEUNTES KAPITEL
     
    E s war beinahe sechs Uhr abends,
als ich auf dem Parkplatz hielt, und ich drückte mir die Daumen, daß Schwester
Dempsey inzwischen nicht zu dem Schluß gekommen war, bei dem Ganzen handle es
sich meinerseits um einen dummen Scherz und sie müsse ihr Wochenende woanders
verbringen. Ein Koffer stand einsam und verlassen auf der Vorveranda, stellte
ich gleich darauf fest, aber der Besitzer war verschwunden. Ich schloß die Tür
auf und durchsuchte jeden Raum des Hauses, fand aber nirgends einen

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