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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rich
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»Max Padrick.«
    »Oh. Nein, ich glaube nicht, dass ich den kenne.«
    Eliza stöhnte.
    »Mann, ist das öde.«
    »Sollen wir’s uns im Schnelldurchlauf ansehen?«, schlug Craig vor.
    Eliza nickte, und er klickte auf fünfzigfache Geschwindigkeit.
    Die Menschen plapperten schnell, während die Menge um sie herum ausdünnte. Schließlich waren Sam und Laura die Einzigen, die noch auf den Stufen saßen. Der Blickkontakt zwischen beiden blieb flüchtig, aber ihre Mienen wurden heller und ihre Gesten lebhafter.
    Craig drückte bei zwanzig Minuten wieder auf Play und stellte fest, dass sie inzwischen nicht mehr über gemeinsame Bekannte, sondern über Reality- TV redeten.
    »Es geht voran.«
    Eliza zuckte mit den Schultern. »Kaum.«
    Craig klickte auf tausendfache Geschwindigkeit, und die beiden huschten über den Broadway in einen Imbiss. Nach etwas mehr als einer Stunde lachten sie zum ersten Mal zusammen, darauf folgten zwei weitere Lacher in relativ kurzer Abfolge. Sam und Laura blieben stundenlang an ihrem Tisch sitzen, tranken Eiskaffee und bildeten die einzigen Fixpunkte in einem verschwommenen Gewirr aus Aktivitäten.
    Endlich schossen sie wieder heraus, liefen ziellos im Zickzack, bis sie eine Bank am Hudson River erreichten. Hundert Autos brausten pro Minute auf dem West Side Highway an ihnen vorbei, bildeten Lichtstreifen aus Rot und Gelb. Ganz allmählich rutschten sie auf der Bank Zentimeter für Zentimeter näher aneinander heran. In Echtzeit war dies kaum wahrnehmbar – Sam und Laura waren zu zögerlich, als dass sie sich dessen überhaupt bewusst gewesen wären. Aber im Schnelldurchlauf nahmen die Engel die Bewegung deutlich wahr. Zirka bei drei Stunden und einundvierzig Minuten kam es zu einer Beinahberührung ihrer Knie. Plötzlich jedoch wurde eine dramatische Veränderung in ihrer Körpersprache sichtbar. Sam zog sich wie ein unterlegener Berufsboxer beim Gongschlag ans andere Ende der Bank zurück; er hatte den Blick gesenkt, seine Schultern hingen.
    »Was war das?«, fragte Eliza.
    »Weiß nicht.«
    Craig spulte ein Stück zurück und klickte dann wieder auf Play, um herauszufinden, was geschehen war.
    Erde – 23. März 2011
    Sam und Laura saßen auf der Bank und konnten die Augen kaum voneinander lassen.
    »Ich verstehe Kerouac auch nicht«, sagte Laura. »Ich meine, ich weiß, dass das angeblich ein superschlaues Buch ist und so, aber ich find’s einfach langweilig.«
    »Geht mir genauso!«, sagte Sam. »Weißt du, das hab ich noch nie jemandem erzählt.«
    »Ich auch nicht! Ich hab immer so getan, als würde ich ihn mögen, weil …«
    »Weil du Angst hattest, was die anderen sonst von dir denken.«
    »Genau! Oh Gott, wenn Cliff jemals zu Ohren kommt, dass ich schlecht über Kerouac spreche …«
    »Wer ist Cliff?«
    »Äh … das ist mein … Freund.«
    »Boah.«
    »Scheiße.«
    Craig tigerte in der Kabine auf und ab, ballte entrüstet die Fäuste.
    »Sie wartet vier Stunden und rückt dann damit raus, dass sie einen Freund hat? Das ist unverzeihlich. «
    » Und was ist mit ihm? Er hat vier Stunden lang nicht ge fragt.«
    Craig schüttelte den Kopf. »Das ist ihre Schuld. Ganz zweifellos. Weil das …« Er zeigte auf den Bildschirm. » Das ist echt scheiße.«
    Er setzte sich wieder hin und spulte zurück. »Komm, wir sehen uns das noch einmal in Zeitlupe an.«
    Eliza hielt sich die Hand vor die Augen. »Ich kann nicht hinsehen – das ist schlimmer als Lincolns Ermordung.«
    Craig beachtete sie nicht und ließ Lauras Geständnis um ein Zehntel verzögert ablaufen. Ihre Stimme rumpelte aus dem Computerlautsprecher, träge und tief.
    » Äh …«
    Ihre Augen wanderten hin und her.
    » Das ist … «
    Sie senkte den Kopf.
    » Mein … «
    Craig veränderte den Blickwinkel, damit sie Sams Reaktion besser sehen konnten.
    » Freund.«
    Craig klickte auf Standbild. Für den Bruchteil einer Sekunde verwandelte sich Sams Gesicht in eine Maske des Schreckens. Seine Augenbrauen schoben sich zusammen, seine Wangen wurden bleich, und seine Lippen verzerrten sich zu einer albtraumhaften Grimasse. Er wirkte zutiefst bestürzt, wie eine siegesgewisse Maus, die von einem gefundenen Käsebrocken aufblickt und die über ihr schwingende tödliche Klinge entdeckt.
    Im Verlauf der darauffolgenden zwei Sekunden erlangte Sam allmählich seine Fassung wieder. Seine Augenbrauen glätteten sich, seine Lippen entspannten. Drei Sekunden nach dem Tiefschlag unternahm er sogar einen hilflosen Versuch zu lächeln. Craig

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