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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rich
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gegessen hast.«
    Er holte tief Luft und fuhr leise fort.
    »Sam … ich muss dir etwas gestehen. Letzte Woche hatten viele Leute, die unsere grüne Sauce gegessen haben … Probleme. Deine Übelkeit … das war unsere Schuld.«
    »Schon gut, Raj. Ich mach dir keine Vorwürfe.«
    »Musst du aber. Du bist wütend auf mich. Gib’s zu.«
    Sam lachte. »Ich bin nicht sauer – ich schwöre es! Ich meine, wenn du dir überlegst, wie viel ich bei euch schon bestellt habe, da ist es doch erstaunlich, dass ich nur einmal davon krank geworden bin. Das ist ein ziemlich guter Schnitt.«
    »Ja, na ja, ich fühle mich schuldig«, sagte Raj. »Und deshalb … kosten die nächsten drei Essen nichts.«
    »Das ist doch nicht nötig.«
    »Bitte. Ich habe darüber nachgedacht. Ich weiß, dass du krank warst, weil du nichts bestellt hast. Und deshalb habe ich mit Rubaina geredet, und ich habe gesagt: ›Ich habe den Mann krank gemacht. Was mache ich jetzt?‹ Ich habe mit ihr geredet, und wir haben beschlossen, dass wir dir die nächsten drei Essen kostenlos bringen und kein Trinkgeld wollen.«
    »Raj, wirklich, das muss doch nicht sein …«
    »Doch«, unterbrach er ihn. »Doch, das muss sein! Bitte lass mich. Ich schlafe schlecht. Ich fühle mich schlecht … so schlecht, weil ich meinen Freund verletzt habe.«
    Sam wollte antworten, doch die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er merkte erschrocken, dass er kurz davor war zu weinen.
    »Hallo?«, fragte Raj. »Sam?«
    Sam fuhr sich über die Augen. »Das ist wirklich sehr nett von dir. Danke, Raj.«
    »Ich bringe extra Puri«, sagte er. »Und dieses Mal die rote Sauce.«
    Raj stand keine zehn Minuten später vor der Tür. Sie gaben sich wie gewohnt die Hand, dann überreichte Raj Sam das Essen. Die Tüte war seltsam schwer, und als Sam hineinsah, entdeckte er, dass mehr als nur die bestellte Linsensuppe darin war. Zusätzlich hatte Raj drei Warmhaltebehälter aus Glas randvoll mit einer rosafarbenen Brühe eingepackt.
    »Das ist eine besondere Suppe, nicht auf der Speisekarte«, erklärte Raj. »Die macht mir Rubaina, wenn ich krank bin.«
    Zum ersten Mal fiel Sam auf, dass Rajs Wangen ungewöhnlich eingefallen wirkten.
    »Oh, nein«, sagte er. »Sag nicht, dass du auch krank warst.«
    »Alle waren krank«, flüsterte Raj. »War wie eine kleine Seuche im Bombay Palace.«
    Sein Blick bekam etwas Gequältes, als er die schreckliche Geschichte erzählte.
    »Zuerst sind die Kellner krank geworden. Dann der Hilfskellner. Dann alle. Unser Koch – Raveesh – hatte mitten im Restaurant einen Anfall. Er hat es nicht mehr bis auf die Mitarbeitertoilette geschafft. Er hatte keine Zeit mehr. Er ist vor aller Augen auf die Kundentoilette gerannt. Kannst du dir vorstellen, wie sich das aufs Geschäft auswirkt? Die Gäste sitzen an den Tischen und sehen den Koch mit seiner Kochmütze auf dem Kopf aufs Klo rennen, dann hören sie ihn schreien. Richtig schreien – als würde er sterben. Viele Kunden sind aufgestanden und gegangen.«
    »Klingt fürchterlich.«
    »Ja. Ich frage mich: ›Warum werden wir bestraft? Was haben wir verbrochen, dass wir so viel Pech verdient haben?‹«
    Er beugte sich an Sam heran und fuhr flüsternd fort: »Aber das Universum ist rätselhaft. Wir kennen den Plan nicht.«
    Sam nickte betreten. »Da hast du wohl recht.«
    Er bedankte sich erneut bei Raj für die Suppen und versprach, die gläsernen Thermobehälter zurückzugeben, sobald er fertig war.
    »Wenn die weg sind«, warnte ihn Raj, »dreht meine Frau durch.«
    »Verstehe«, sagte Sam.
    Sie verabschiedeten sich und versuchten sich, zum ersten Mal überhaupt, ungelenk an einer Umarmung.
    Sam schloss die Tür und starrte gespannt in die Tüte. Seit seiner letzten vernünftigen Mahlzeit waren sieben Tage vergangen, und er hatte keine Ahnung, wie viel Nahrung sein Körper jetzt verkraften würde. Aber er fühlte sich ungewöhnlich zuversichtlich und war bereit, ein Risiko einzugehen.
    Er goss Rubainas Suppe in eine Schale und tauchte vorsichtig seinen Löffel in die Brühe. Sie roch nach Linsensuppe, hatte aber eine völlig andere Konsistenz. Die Suppe war gröber, deftiger. Er schnupperte daran, schloss die Augen und probierte ein klitzekleines bisschen. In einer einzigen Sekunde schien sich der Suppentropfen blitzschnell in seinem Mund auszubreiten, seine Zunge mit seinem Geschmack zu überziehen. Die Würze kitzelte seinen Rachen, und Endorphine rauschten durch seinen Kreislauf. Er lehnte sich auf der Couch

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