In Gottes Namen. Amen!
schnell hatten sie neue Familien gegründet – seine Mutter in Kalifornien, sein Vater in Texas. Innerhalb von nur fünf Jahren war er kein Einzelkind mehr, sondern das älteste von acht Geschwistern. Er hatte (bislang) zwei Halbschwestern und fünf Stiefgeschwister. Manchmal, wenn er im Urlaub mit seiner Familie sprach, verwechselte er die Kinder des einen Elternteils mit denen des anderen.
Sam hatte vorgehabt, nach seinem Abschluss wieder nach Hause zu ziehen, wenigstens für ein paar Monate. Aber jetzt wusste er nicht mehr so genau, wo sein »Zuhause« war. Das Haus seiner Kindheit war, wie seine Mutter einmal beiläufig erwähnte, längst dem Erdboden gleichgemacht. Und obwohl er wusste, dass er bei beiden Eltern willkommen war, gab es dort kein Zimmer mehr, das auf ihn wartete.
Er blickte auf sein Handy und stellte erschrocken fest, dass es fast sieben Uhr war. Wie es aussah, würde dies wohl ein weiterer Tag ohne Hose werden. Er wusste, dass er Wasser trinken sollte, aber ihm fehlte die Kraft aufzustehen. Seine Tagträume glichen zunehmend Halluzinationen. Immer wieder sah er Gesichter auf den Badezimmerfliesen, und die Toilette erinnerte ihn an Raj – eine hochaufragende, aufrechte Erscheinung, die ihn böse von oben herab ansah.
»Pack das Leben bei den Hörnern«, hörte er sie sagen. »Raus aus der Krise.«
»Wie?«, flüsterte er.
»Pack das Leben bei den Hörnern«, wiederholte Raj.
Sam wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Warum hast du mich vergiftet?«
»Es gibt für alles einen Grund«, sagte Raj.
Sam schloss die Augen und sank dankbar in Bewusstlosigkeit.
»Langsam mache ich mir Sorgen um ihn«, sagte Craig. »Jetzt hat er schon seit drei Tagen nichts mehr gegessen.«
Eliza blickte auf den Bildschirm. Sam hatte es geschafft, vom Badezimmerboden auf die Couch zu kriechen, aber er befand sich immer noch in einem erbärmlichen Zustand. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Wangen kreideweiß. Irgendwann hatte er versucht, sich etwas anzuziehen, doch sein Vorhaben rasch wieder aufgegeben. Jetzt war er, abgesehen von einem Paar ungleicher Socken, immer noch nackt. Der Fernseher strahlte in der Dunkelheit. Ein Plastikeimer stand finster neben ihm.
»Lass noch ein bisschen laufen«, sagte Eliza.
»Ernsthaft?«
»Es funktioniert.«
Sie zoomte auf Sams bleiches Gesicht. »Sieh doch – das Doppelkinn ist schon weg.«
Craig zog die Augenbrauen hoch. Das musste er zugeben: Sam wirkte allmählich nicht mehr so schwabbelig.
»Gib ihm noch fünf Tage«, schlug Eliza vor.
»Vier«, lenkte Craig ein. »Wir wollen nicht, dass er stirbt.«
»Okay, okay. Noch vier Tage, von jetzt an.«
Sie streckte die Hand aus, und Craig schlug ein.
Erde – achtzehn Tage bis zum Weltuntergang
Sam wollte sich krankmelden, aber im Büro nahm niemand ab. Er versuchte es noch ein paarmal, bis er kapierte, warum: Es war Samstag. Sieben Tage waren an ihm vorbeigezogen – eine komplette Woche seines Lebens.
Das Komische daran war, dass er dem Bombay Palace keine Schuld gab. Er wusste, dass er sich an dem dort bestellten Essen vergiftet hatte. Aber seine Liebe zu dem Restaurant war so tief und innig, dass er es nicht ertrug, daran herumzumäkeln. Das Bombay Palace war kein beliebtes Restaurant, und Sam war für einen beträchtlichen Anteil des Umsatzes verantwortlich. Er wurde als Kunde so sehr geschätzt, dass Raj Änderungen der Speisekarte zuerst mit ihm besprach. Er hoffte, sein siebentägiges Fernbleiben hatte dem Betrieb nicht geschadet.
Am Sonntagmorgen fühlte er sich endlich gut genug, um etwas zu essen – er gab sofort seine Bestellung auf.
»Nur eine Linsensuppe?«, fragte Raj am Telefon. »Sonst nichts?«
Sam überlegte. Er war sehr hungrig, aber er wusste, dass er es langsam angehen sollte. Mit großen Mengen würde sein genesender Körper nicht klarkommen.
»Ja, danke«, sagte er. »Nur die Suppe.«
Am anderen Ende der Leitung entstand eine lange Pause.
»Sam«, murmelte Raj. »Mir ist aufgefallen, dass du die ganze Woche nichts bestellt hast. Gibt es dafür einen Grund?«
Sam überlegte, ob er Raj die Wahrheit sagen sollte, dass ihm von seiner letzten Lieferung furchtbar schlecht geworden war. Aber er wollte ihm kein schlechtes Gewissen machen.
»Ich war im Urlaub«, log er. »Du weißt schon, hab Verwandte besucht.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Raj. »Unser Essen hat dich krank gemacht. Gib’s zu.«
»Meine Güte«, sagte Sam. »Woher weißt du das?«
»Weil du die grüne Sauce
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