In Gottes Namen. Amen!
nahm sein Handy und rief im Büro an.
»Ich glaube, ich habe eine Lebensmittelvergiftung«, erklärte er einer der Sekretärinnen. »Kommt ihr ohne mich klar?«
Die Sekretärin lachte. »Ja, ich glaube, das kriegen wir hin.«
Sam arbeitete für eine Firma namens Chapman Consulting.
Er interessierte sich nicht besonders für Consulting, aber von den zweihundert Firmen, bei denen er sich in seinem Abschlussjahr beworben hatte, hatte er nur hier einen Job angeboten bekommen. Vor seinem Arbeitsbeginn hatte er große Angst gehabt; er wusste nichts über Finanzen und hatte sich große Sorgen gemacht, möglicherweise als Hochstapler enttarnt zu werden. Doch bislang war niemandem seine Untauglichkeit aufgefallen.
Sein Chef war ein freundlicher Alkoholiker namens Mr Dougan, der jeden Tag denselben Nadelstreifenanzug trug. An seinem allerersten Arbeitstag hatte er Sam erklärt, dass es bei Chapman Consulting vor allem um Steuerhinterziehung ging. Die finanziellen Einzelheiten überstiegen Sams Horizont, doch im Prinzip hatte ein Milliardär namens Mr Chapman die Firma in den achtziger Jahren gegründet, um sein Geld damit vor der Regierung zu verstecken. Deshalb wurde bei Chapman Consulting eigentlich nie etwas »getan«. Die Firma war reine Fassade: ein Ort, den neugierige Finanzbeamte aufsuchen konnten.
Mr Dougan hatte die Stelle zur Belohnung dafür bekommen, dass er einige von Mr Chapmans kriminellen Investitionen vertuscht hatte. Jeden Morgen traf er um acht Uhr im Büro ein und fing sofort an zu trinken.
Chapman Consulting nahm alle drei Stockwerke eines beeindruckenden alten Gebäudes im Stadtzentrum ein. Es gab ungefähr ein Dutzend Angestellte, hauptsächlich Frauen, die sich im ganzen Gebäude verteilten. Da es in der Firma nichts zu tun gab, verbrachten sie ihre Zeit damit, Solitär auf ihren Computern zu spielen. Wenn eine ein Spiel gewann, stieß ihr Computer ein triumphales Piepen aus. Abgesehen von diesem Piepen war es in den Büroräumen mucksmäuschenstill.
Sam hatte von neun bis fünf Uhr Dienst. Sobald er eintraf, rief Mr Dougan ihn zu sich ins Büro und befahl ihm, die Tür zu schließen. Dann wies er ihn mit leiser Stimme an, sämtliche Sofakissen im gesamten Gebäude umzudrehen und alles Kleingeld, das er fand, einzusammeln und ihm zu bringen. Diese Aufgabe nahm in der Regel annähernd dreißig Minuten in Anspruch. Nachdem Sam mit dem Kleingeld zurückgekehrt war, ließ ihn sein Chef die Münzen auf zwei Stapel verteilen. Dann schickte er ihn in die Empire Bodega gegenüber mit der Anweisung, fünfzig Prozent des Geldes für Bier und die anderen fünfzig Prozent für Rubbellose auszugeben. Wenn Sam mit seinen Einkäufen zurückkam, schob ihn Mr Dougan eilig in sein Zimmer, schloss die Tür und teilte die Biere sorgsam zwischen ihnen beiden auf. Wenn diese getrunken waren, rubbelten sie die Lose. Waren Gewinne dabei, schickte Dougan Sam unverzüglich zurück in die Bodega, mit denselben Anweisungen wie zuvor. Dieser Kreislauf wurde so lange fortgesetzt, wie genug Geld da war.
Sam mochte seine Arbeit. Vor Chapman Consulting hatte er als Barista bei Starbucks gearbeitet – und in diesem Job war er viel besser. Er hatte ein gutes Auge für Kleingeld und machte nie Fehler beim Sortieren. Und was noch besser war, sein Chef schien ihn wirklich zu mögen.
»Du machst deine Sache hervorragend«, raunte Mr Dougan ihm oft zu, wenn er mit dem Bier und den Losen eintraf. »Mach die Tür zu und trink dein Bier.«
Sam verspürte so etwas wie echte Zuneigung zu seinem Chef und wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen. An Tagen, an denen wenig oder gar kein Kleingeld zwischen den Polstern lag, ergänzte er den Betrag durch Münzen aus eigener Tasche. Er hatte ein schlechtes Gewissen, sich krankzumelden und Mr Dougan im Stich zu lassen. Aber das ließ sich nicht ändern; er war zu krank, um aufzustehen. Er hatte die vergangenen acht Stunden auf Armeslänge Abstand vor der Toilettenschüssel verbracht. Wie das passiert war, wusste er nicht so genau, aber er war vollkommen nackt. Sein Badezimmer sah aus wie der Tatort eines Verbrechens.
Sam wurde bewusst, dass er erst nach mehreren Tagen gefunden werden würde, sollte er sterben. Seine Collegefreunde hatten sich nach dem Abschluss überall im Land verteilt. Auch zu seinen Eltern hatte er eigentlich kaum Kontakt. Sie hatten sich während seines ersten Semesters scheiden lassen, und in seinem Abschlusssemester waren beide bereits wieder verheiratet. Erschreckend
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