In grellem Licht
wohl mein gutes Geld für die Karten
ausgeben müssen.
Scheiße.
Bei den Jazztänzern ist er nicht. Am Ende des ersten Aktes
hat jeder auf dem Theaterzettel seinen Auftritt gehabt, also kann ich
zumindest abhauen. In der Holo/Licht-Truppe ist er auch nicht, aber
wenigstens ist die Musik kein Müll und die Soundeffects sind
beachtlich. Bei den asiatischen Volkstänzern schlafe ich ein,
doch das macht nichts, denn auch wenn er dem Aussehen nach Asiate
hätte sein können – er hätte fast alles sein
können –, kommen diese Tänzer wirklich aus Asien, und
ich glaube nicht, daß das auch auf ihn zutrifft.
Die Ballettänzer tanzen mit Gesichtsmasken.
Mit gottverdammten Masken! Sie sind Teil des jeweiligen
Kostümes, teils aus Stoff oder Plastik oder sonstwas und teils
Holo, und die Tänzer sehen damit aus wie Vögel oder
Lichtstrahlen oder Feen oder weiß der Teufel, was sie sein
sollen. Aber es gibt keine Möglichkeit, irgendwen zu
identifizieren, und auf dem Theaterzettel stehen sechzehn
männliche Namen.
Ich kneife die Augen zusammen und starre durch meine Zoomlinsen
auf die Bühne. Von meinem Platz aus sehen alle männlichen
Tänzer gleich aus: schlank, muskulös, anmutig, nicht sehr
groß. Er könnte jeder davon sein – oder keiner.
Ich will gerade hinausstürmen, als mir eine Idee kommt.
Der Theaterzettel, den ich beim Warten auf den Beginn des Balletts
studiert habe, wird vermutlich jeden Tag frisch gedruckt, aber er hat
eine spezielle Seite, auf der das Einspringen der Zweitbesetzung
während der laufenden Saison vermerkt ist. Damit man auf den
ersten Blick sieht, wie oft man nicht die Darsteller gesehen hat,
für die man eigentlich zahlt. Blöde Idee. Aber irgendein
Computertyp mit zusammengekniffenem Arsch wollte wohl
Fleißaufgaben machen. Und da steht es schon, für jenen
Abend, an dem sich Dreamie und Teela die beiden warmen Brüder
vornahmen:
** Eingesprungen für cameron atuli in Tänze bei
einem Treffen und im Pas de deux aus Moskauer Morgen: mitchell reynolds
** Eingesprungen für robert radisson in Milde Umwelt: alonso peres
Eingesprungen für zwei Tänzer mit Beulen auf dem Kopf,
weil irgendwelche Typen sie von oben angesprungen haben. Und einer
von ihnen hat eine Kerbe im Pimmel. Aber am nächsten Abend sind
beide wieder da und tanzen.
Cameron Atuli oder Robert Radisson.
Sie tanzen beide vor der Pause, irgendeine Scheiße von einer
Flut. Dem Theaterzettel nach ist Radisson der Spinner, der in einem
einfachen Hemd herumsteht und seinen Körper alle paar Minuten
von einer idiotischen Stellung in die nächste bringt. Atuli ist
ein Star. Er tanzt in fast jeder Szene, springt und rennt im Kreis
und hebt irgendein Weib hoch, das aussieht, als würde es
fliegen, aber es ist wahrscheinlich bloß ein Holo. Ich sehe mir
das ganze bekloppte Ballett an, bis ich völlig sicher bin.
Angefangen von seinen Körperbewegungen, wenn er von ihr
wegspringt, über die Art, wie er auf die Knie sinkt, wenn sie
mit dem Bumsen fertig sind, bis zu dem Ruck, mit dem er den Kopf
zurückwirft, um einen Schmerzensschrei zu simulieren. Ich kann
es nicht erklären, aber ich bin ganz sicher. Der Junge unter dem
Sims in dem dunklen Gäßchen war Cameron Atuli, und es war
Cameron Atulis Gesicht, das die Schimpansen in Lanham trugen.
Das Publikum – alles morsche Muffis klarerweise –
spielen verrückt; sie stehen auf und klatschen und brüllen
»Bravo!« Die Schreckschraube neben mir ist so aufgeregt,
daß ich meine, jetzt und jetzt kriegt sie einen Herzanfall. Ein
alter Knacker hinter mir japst immerzu: »Die Kultur lebt, Cissy!
Was auch kommen mag, die Kultur lebt weiter!«, bis ich nahe dran
bin, mich umzudrehen und ihm eins zu verpassen. Tradition, daß
ich nicht lache! Gutes Sperma trocknet aus, das ganze Land wechselt
langsam in den Rollstuhl über, und junge Leute wie ich
zerfransen sich, um all die alten Fürze zu erhalten – und
der Kerl da hinten pißt sich vor Freude an, weil die
Ballettkultur nicht ausstirbt!
Aber ich möchte keine Aufmerksamkeit auf mich lenken, also
gehe ich still und leise – den Theaterzettel in der Hand, der
mir verrät, wann Cameron Atuli das nächstemal tanzen
wird.
Ich habe mich schon dafür entschieden, daß die Sache im
International Center geschehen muß. Die Baupläne des
Gebäudes sind im öffentlichen Terminal abrufbar: >ein
architektonisches Kleinod<. Bei jedem anderen Gebäude –
Hotel oder andere Unterkunft oder sonstwas – würde ich
blindlings reingehen
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