In grellem Licht
lag in der warmen Luft.
Ich ließ mich gegenüber von John im Ohrensessel nieder. Er
wartete mißmutig.
»Also. Was kann ich für dich tun, John?«
»Du kannst nichts für mich tun«, antwortete
er, drauf und dran, gereizt zu sein. »Nicht jedesmal, wenn ich
zu Besuch komme, möchte ich, daß du etwas für mich tust!«
»Also gut«, sagte ich gleichmütig, »wie geht
es dir?«
»Beschissen.« John war sechsunddreißig, aber er
verwendete immer noch die Ausdrücke von Halbwüchsigen.
Vielleicht kam das davon, daß er, genau besehen, der
jüngsten Generation angehörte. Er und seine Frau waren wie
so viele andere kinderlos. John gehörte zu den über achtzig
Prozent der Männer, deren Spermienzahl unter fünf Millionen
pro Milliliter lag: Er war praktisch steril. Vor hundert Jahren
verfügten junge Männer in Johns Alter über eine
durchschnittliche Spermienzahl von über hundert Millionen pro
Milliliter. Alle in-vitro- Versuche von John und Laurie waren
fehlgeschlagen.
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich. »Und
warum geht es dir >beschissen«
»Man hat mich schon wieder gefeuert.«
Er sagte das mit einer Art trotziger Befriedigung in der Stimme: Siehst du, die ganze Welt ist gegen mich! Ich hab’s dir
gleich gesagt!
»Und wie kam es dazu?« fragte ich.
»Wie soll ich das wissen? Ich hab mich doch nicht gefeuert.
Ich bin der Gefeuerte! Sie haben einfach heute früh angerufen
und gesagt, daß meiner Telearbeit der Zugriff entzogen
wird.« Er nahm einen Schluck Bourbon.
Er sah immer noch gut aus. Wäre da nicht eine gewisse
Schwammigkeit gewesen – weniger in seiner körperlichen
Verfassung als in seiner Haltung. Seine Gesichtszüge wirkten
schlaff, seine Mundwinkel waren herabgezogen, sein Körper sah
aus, als wäre er in sich zusammengesackt.
»Und was wirst du jetzt tun?« fragte ich vorsichtig.
»Was kann ich schon tun? Mich um einen neuen Job umsehen!
Laurie und ich, wir brauchen das Geld!«
Er würde keine Schwierigkeiten haben, einen neuen Job zu
finden; es gab nicht genügend Arbeitskräfte, um alles
herbeizuschaffen, was der enorme Bevölkerungsanteil an alten
Leuten benötigte. An armen alten Leuten, die – minimal
– aus Steuergeldern unterstützt wurden. An reichen alten
Leuten, die ihr Geld noch nicht ihren Kindern weitergegeben hatten,
welche deshalb zweifach belastet waren. Das war es, worauf sich der
letzte Teil von Johns Ausbruch bezog. Ich ignorierte ihn.
»Wie geht es Laurie?«
»Gut.« Er lächelte tatsächlich. Johns Frau war
ein Schatz, ein Wunder – und manchmal fand ich nur einen Weg zur
Wertschätzung meines eigenen Sohnes: indem ich mir vor Augen
hielt, daß er wenigstens soviel Verstand hatte, um zu wissen,
was er an Laurie hatte. Maggie und ich hofften inständig, sie
würde ihn nie verlassen.
»Solltet ihr beide nicht morgen Abend zum Essen kommen?«
fragte ich. »Sallie und Richard kommen aus Atlanta
rauf.«
Sein Lächeln verschwand. »Ich weiß nicht, ob ich
einem Familienfest gewachsen bin. Du scheinst dir nicht im klaren
darüber zu sein, Dad, wie hart es ist, schon wieder mal
freigesetzt zu sein! Du brauchtest dir deswegen natürlich
nie Sorgen zu machen.«
Was heißen sollte: du, der große Wissenschaftler
und Erfolgreiche auf allen Linien, der nie meine finanziellen Sorgen
hatte. Es lag genug Wahrheit in dieser weinerlichen Implikation,
um mich zum Stillschweigen zu bringen; meine Generation schleppte
keinen riesigen demographischen Buckel mit sich herum. Andererseits
war meiner Generation das Entlassenwerden – das, wie ich bemerkt
hatte, in Johns Diktion nun >Freigesetztwerden< hieß
– weitaus geläufiger als der seinen. Das sagte ich aber
nicht.
Ich wechselte das Thema. »Sallie wird es leid tun, dich nicht
zu sehen.«
»Das glaube ich nicht.« John mochte seine ältere
Schwester nicht. Eifersucht vielleicht. Sallie hatte immer Erfolg
gehabt im Leben: herausragende Studentin, glückliche Ehefrau,
geachtete Leiterin einer Forschungsabteilung beim Zentrum für
Seuchenkontrolle. Und da sie nie Kinder gewollt hatte, war sie auch
nicht enttäuscht, daß sie nicht kamen.
»Also, ich gehe jetzt besser«, sagte John
trübsinnig.
»Sollte schon längst am Net hängen und nach einem
Job Ausschau halten. Hör mal, erzähl du Mom von meiner
Freisetzung, ja? Wieder die alte Geschichte von John, dem
Verantwortungslosen, kann ich nicht verkraften.«
Dann hör auf verantwortungslos zu sein! wollte ich
sagen. Erledige deine Arbeit pflichtbewußt, gehorche
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