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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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was
Mutterschaft betrifft, aber… aber ich kann es nicht! Ich kann
nicht! Und ich habe das Gefühl, ich werde es nie
können!«
    Ich glaubte ihr. In manchen Frauen ist der Mutterinstinkt so
ausgeprägt, daß es in ihnen eine nie endenwollende Trauer
auslöst, wenn er nicht ausgelebt werden kann. Nichts im
menschlichen Genom rechtfertigt dies von der DNA oder den Proteinen
her. Nichtsdestoweniger ist es so.
    »Wir würden jeden Preis für ein Baby zahlen, Dad!
Alles, was wir haben!«
    »Liebes, alles, was ihr beide habt, ist immer noch soviel
weniger, als die wirklich Reichen zahlen können, und es gibt so
wenige Babies, auch auf dem Schwarzmarkt…«
    »Aber du bist doch ein Doktor! Und du hast Verbindungen zur
Regierung, zur ganzen Wissenschaftswelt, überallhin! Du hast
Möglichkeiten, ein Kind aufzutreiben, die niemand sonst hat, den
wir kennen!«
    Ihr unscheinbares, ehrliches Gesicht glühte vor Vertrauen.
Ich sah weg. »Laurie, selbst wenn das so
wäre…«
    »Und du und Mom, ihr wollt doch auch ein Enkelkind, das
weiß ich! O Dad, das bedeutet mir so viel! Für mich
bedeutet es alles. Und die Gefahr, bestraft zu werden, ist mir egal.
Bitte sag nicht nein! Wir haben immer darauf gebaut, die ganze
Familie, darauf, daß du alles zuwege bringst, ich weiß,
das ist nicht fair, aber diesmal…« Ihre Stimme versagte.
»Bitte versuch es.«
    Und ich konnte nicht ablehnen. Nicht bei Laurie. Nicht, wo ich sie
alle doch so bald verlassen würde, wo sie demnächst nicht
mehr auf mich würden bauen können. Überheblichkeit?
Ja. Doch der Stolz vergeht…
    Aber der Stolz existierte nicht mehr, nicht offiziell wenigstens.
Nur gemeinsam getragene Verantwortung.
    »Also gut, Kleines«, sagte ich. »Ich werde es
versuchen.«
    »Danke«, sagte sie mit seltsam demütiger
Feierlichkeit – als wären all die vorangegangenen
theatralischen Mätzchen unwürdig dieses gewaltigen
Versprechens. Mir gefiel das nicht. Es bedeutete ihr so viel; was,
wenn ich versagte?
    Plötzlich sagte der Tisch in freundlichem Tonfall:
»Letzter Aufruf für Flug 164 nach Atlanta! Sie sind als
Passagier dieses Fluges registriert!«
    Mir war entfallen, daß ich für die Bezahlung der Drinks
dem System meine Kreditnummer gegeben hatte. Ich sprang etwas zu
ungestüm auf und mußte so tun, als würde ich mich
strecken, um das Zittern in meinen Beinen zu kaschieren. »Das
ist mein Flug, Laurie.«
    »Ich begleite dich noch bis zum Flugsteig«, sagte sie.
Ihr Gesicht leuchtete, und obwohl sie immer noch rote, verschwollene
Augen hatte, drehten sich jetzt ein paar Köpfe nach ihr um. Ich
bemühte mich, mit ihrem jugendlichen, energischen Schritten
mitzuhalten, und hoffte, daß die junge Mutter, die ihrem Baby
die Brust gab, nicht mehr da sein würde, wenn Laurie allein
zurückging.
     
    In Atlanta regnete es – es schüttete in Strömen, es
goß wie mit Eimern. Und ehe ich mich’s versah, zählte
ich schon innerlich all die synthetischen, von der Luftströmung
getragenen Disruptoren auf, die wahrscheinlich mit jedem Tropfen auf
die Erde fielen. Hexachlorbenzol, Kelthan, Octochlorstyrol, die
Alkylphenole… Ich zwang mich, damit aufzuhören, und mich
besser dem Grund für mein Herkommen zu widmen.
    Sallie holte mich vom Flughafen ab. Sie sah älter aus –
mit einem plötzlichen Schock wurde mir bewußt, daß
sie fast fünfzig war. Geboren, als Maggie und ich und der Rest
der Welt so jung geschienen hatten.
    »Dad! Du siehst wunderbar aus!«
    »Lügnerin.«
    »Also fast wunderbar.« Sie grinste.
    Keine unserer beiden Töchter hat Maggies Aussehen geerbt, das
ging alles an John. Alana, die nun seit zehn Jahren auf der
Marskolonie Drei lebte, sah aus wie ich. Und Sallie war einfach sie
selbst: groß und breit, fröhlich, laut, direkt. Sie
arbeitete seit fünfzehn Jahren beim Zentrum für
Seuchenkontrolle und liebte ihre Arbeit, ihren Ehemann und ihr
Leben.
    »Also, sag schon, was hat es mit diesem geheimnisvollen
Besuch auf sich?« fragte sie, als wir vom Flughafen wegfuhren.
Sallie war eine aufregende Fahrerin; instinktiv stemmte ich mich mit
dem Rücken gegen die Lehne. Ich bemerkte, daß ihr Wagen
nicht >fahrerverstärkt< war: Er verfügte über
keine der teuren Extras, die es den Wohlhabenden gestattete, auch
noch im hohen Alter ein Fahrzeug zu lenken. Kein
Virtual-reality-Bildschirm, um die nachlassende Sehkraft zu
kompensieren; kein verbreitertes Gesichtsfeld, weil sich der Kopf auf
einem alten Hals nicht mehr so mühelos drehen kann; kein
intelligenter

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