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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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schnallen mich – Hand- und
Fußgelenke – auf ein Bett. Ich kann nicht einmal den Kopf
bewegen. O lieber Herr Jesus, nein! Nicht…! Nicht schneiden,
nein…!
    Aber sie lassen das Bett nur in einen großen, geschlossenen
Behälter gleiten. Totale Finsternis. Apparaturen strecken ihre
Fühler aus und halten sanft meinen Kopf fest. Ich kann mich
keinen Zentimeter bewegen. Sogar meine Lippen werden von etwas, das
leicht vibriert, in einer Stellung fixiert. Aber nichts davon tut
weh.
    Ich leide nicht an Klaustrophobie.
    Leidet Atuli daran? Das ist ein MOSS-Tank. Sie scannen meine Haut,
Zellschicht um Zellschicht. Ich entsinne mich, was Nick mir
darüber gesagt hat. Die Scans dauern Stunden.
    Und dann?
    Dann kommen die Blut- und Gewebeproben. Proben der Haut, der
Haare, der Lippen… wird das wehtun?
    Und dann? Klar, daß sie alle hübsche Kinder wollen,
und das heißt, man muß mit hübschen Pussis voller
hübscher kleiner Eizellen anfangen…
    Ich komme nicht dagegen an: obwohl ich den Mund nicht bewegen
kann, beginne ich in meinem Tank zu schreien, aber es kommt heraus
wie ein würgendes Gurgeln, als wäre ich schon mitten am
Abkratzen.

17
    CAMERON ATULI
     
    Eine Matinee zu tanzen, und Shana hat sich immer noch nicht
gemeldet.
    Wir tanzen in unserem eigenen kleinen Theater in Aldani House,
eine Benefizvorstellung für irgendein Wohltätigkeitsprojekt
für alte Menschen. Es ist eine Matinee, weil die reichen
Gönner, die selbst alle schon alt sind, wahrscheinlich um acht
Uhr abends im Bett sein müssen. Ich stehe in den Kulissen, als
sie hereintapsen und die Sitze mit alten Spitzen füllen, mit
schwarzen Frackschleifen um zwei Uhr nachmittags, mit Seide, die
raffiniert geschnitten ist, um einen Greisinnenbuckel zu kaschieren.
Leute wie diese wollen ein spektakuläres Programm aus lauter
Höhepunkten, also tanzen wir Ausschnitte aus Western
Symphony, Feuervogel und Salvadore. In ein phantastisches
Holo aus roten und orangeroten Federn gekleidet, huscht Sarah an mir
vorbei, dann Tasha in schwarzen Spitzenhandschuhen und einem
Röckchen, wie es die Revuemädchen in den Saloons der alten
Westernfilme trugen, dann Alonso in blutgetränkten Strumpfhosen,
die braun-grün gefleckt sind wie Tarnanzüge. Mit den
üblichen Dissonanzen stimmt das kleine Orchester die
Instrumente. Auf der Bühne, hinter dem undurchsichtigen Vorhang,
wärmen sich die Tänzer auf. Ich sollte auch da
draußen sein, aber meine Konzentration ist beim Teufel. Alles,
woran ich denken kann, ist, daß Shana Walders nicht angerufen
hat.
    Nach vierundzwanzig Stunden geh zu Nick Clementi, hat sie
gesagt. Neunzehn Stunden sind bereits vergangen. Und eine halbe. Aber
Shana würde doch nicht die ganzen vierundzwanzig Stunden
benötigen, um mit Emily Jogerst zu sprechen, oder? Und sofort,
nachdem sie mit ihr gesprochen hat, würde sie mich doch anrufen
und mich wissen lassen, daß sie wohlbehalten ist, nicht
wahr?
    Vielleicht doch nicht. Vielleicht hat dieses dumme Ding
völlig vergessen, daß ich mir Sorgen mache, sie
könnte… Ich darf gar nicht daran denken.
    »Cam?« Rob in Jeans und Cowboyhut für Western
Symphony. »Bist du aufgewärmt?«
    »Ja. Nein. Rob…« Ich habe ihm nichts erzählt
von Shanas Fahrt nach Philadelphia. Wohl zu seinem Schutz, denke ich.
Wovor? Es muß doch keiner von uns beiden die Fahrt nach
Philadelphia riskieren. Oder würde es tun. Mir gefiel die Idee
ja von Anfang an nicht, aber niemand kann Shana Walders Einhalt
gebieten.
    »Was ist denn, Cam?«
    »Nichts. Du mußt los, da ist dein Signal.«
    Die Tänzer für Western Symphony nehmen
Aufstellung, und der Vorhang hebt sich.
    Als ich vor dem zweiten Stück mein Armband abnehmen
muß, um Prinz Ivan in Feuervogel zu tanzen, hat Shana
immer noch nicht angerufen. Und es ist auch keine Nachricht für
mich da, als ich hinterher, als der pas de deux zu Ende ist,
schwitzend und keuchend von der Bühne rase.
    Sarah folgt mir. »Was ist denn mit dir los, Cam? Du warst
heute ja gar nicht gut drauf. Bei dieser letzten Hebefigur dachte
ich, du läßt mich fallen.«
    »Tut mir leid. Ich… ich fühle mich nicht wohl.
Hör mal, könntest du Mister C. erklären, daß ich
hinterher nicht vor den Vorhang kommen kann? Daß ich mich
hinlegen mußte?«
    Sie starrt mich nur an.
    Ich weiß, daß ich nicht so aussehe, als wäre ich
krank. Und das Erscheinen vor den Vorhang ist sehr wichtig bei einer
Benefizvorstellung wie dieser… die Leute mit den Spendierhosen
erwarten einen Gegenwert für ihr

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