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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Walders
würde von den Behörden beobachtet, und daß man daher
einen weiten Bogen um sie machen sollte. Sonst könnte das ganze
Arrangement zusammenbrechen.« Was für ein Arrangement auch
immer.
    Dann stehe ich mitten in der Bibliothek der Clementis und
kämpfe gegen meine wachsende Panik an. Ich muß das
tun! Ich muß in die Skinner Street, auch wenn ich dort
möglicherweise an jemanden gerate, der in meine eigene
Entführung verwickelt war und in meine… Aber ich muß
es trotzdem tun. Wenn ich es nicht tue, könnte Shana sterben.
Ich kann diese ganze Situation nicht einfach beiseite schieben.
    Ich versuche weiterzudenken, zu planen: Geld aus einem Automaten,
an der Kreuzung zwei Blocks weiter ein Taxi rufen, überzeugende
Lügen ausdenken, die ich Billy McCullough auftischen kann. Eine
Waffe? Ich durchsuche das Haus, wobei ich immerzu mit einem Auge auf
die Uhr schiele. In Shanas Zimmer entdecke ich eine militärische
Betäubungspistole, die sie vermutlich nicht haben dürfte.
Ich weiß nicht, wie sie funktioniert, aber ich experimentiere
ein paar Minuten damit herum, bis ich meine, nun könnte ich sie
handhaben.
    Dann verlasse ich leise das Haus, indem ich die Eingangstür
so sachte zumache, als wäre sie zerbrechlich. Ich drehe den
Schlüssel langsam herum, denn meine Hände zittern, und ich
habe Angst, den gestohlenen Schlüssel fallenzulassen und zu
verlieren.
     
    Skinner Street ist nichts als eine lange schmale Gasse zwischen
den numerierten Straßen ein Dutzend Blocks von der Mall in
Washington entfernt. Das hier ist eine völlig andere Welt als
Bethesda. Der Wind bläst Abfall über die Straße, die
auf beiden Seiten von zerbröselnden Ziegelmauern und morschem
Holz eingefaßt wird. Jede dritte Ladenfront ist mit Brettern
vernagelt; der Rest ist vergittert. Draußen in der sommerlichen
Abenddämmerung lungern die Menschen herum und starren einander
mit finsterem Gesicht an: ein gefährlich aussehender Schwarzer,
der in einer Mülltonne wühlt, eine Prostituierte in einem
roten Kleid und einer goldblonden Holo-Perücke, drei alte Leute
auf verbeulten Liegestühlen aus Metall mitten auf dem Gehsteig.
Keine Kinder. Es riecht nach Küchendunst und nach kaputten
Toiletten.
    Eine Ratte spaziert über die Betonstufe von Nummer 593. Ich
pralle zurück. Die Ratte bleibt stehen und starrt mich
unverschämt und furchtlos an, bevor sie weitertrippelt und in
einem Spalt im Fundament des Gebäudes verschwindet. Ich warte
eine Minute, ehe ich ihren Platz auf der Stufe einnehme und an die
Tür klopfe. Es klingt metallisch – die Tür ist aus
Stahl.
    »Ich möchte Billy McCullough sprechen«, sage ich zu
der Frau, die die Tür einen Spalt weit öffnet – soweit
es eben die vorgelegte Kette erlaubt. Sie ist alt und grauhaarig, und
ihre Haut hat die gleiche Farbe wie meine, nur ist die ihre von
Hunderten feinen Falten durchzogen. Hinter der Alten sehe ich ein
winziges Wohnzimmer mit einem durchgesessenen Sofa, einem neuen
hellgrünen Teppich und schweren, zugezogenen grünen
Vorhängen. »Doktor Nicholas Clementi schickt
mich.«
    Ohne zu lächeln schiebt sie die Kette zurück.
»Kommen Sie rein.«
    »Ich warte hier«, sage ich, halb drinnen und halb auf
der Stufe. »Ersuchen Sie ihn herzukommen, bitte.«
    Sie zuckt die Achseln und humpelt davon, in ein anderes Zimmer
oder eine Diele. Stimmen sind zu hören, aber die einzelnen Worte
kann ich nicht verstehen. Dann kommt ein alter Weißer in einem
teuren Anzug in das Zimmer, erblickt mich und bleibt stehen wie vom
Donner gerührt.
    »Heiliger Himmel.« Er starrt mich an wie ein Gespenst.
»Wer, zum Teufel, sind Sie?«
    »Doktor Clementi schickt mich«, sage ich und schaffe es,
meine Stimme sachlich klingen zu lassen. »Wegen des Babys
für seine Schwiegertochter Laurie. Er kann nicht selbst kommen,
er ist zu krank, aber er sagte, ich solle Ihnen eine
äußerst wichtige Botschaft überbringen.
Er…«
    »Halleck!« ruft McCullough, und augenblicklich erscheint
ein zweiter Mann hinter ihm. Dieser wirft einen Blick auf mich, sagt:
»Das Gesicht auf den Schimpansen!« und zieht eine
Waffe.
    Ich greife in meine Jacke, um Shanas Waffe hervorzuziehen, aber
ich bin nicht annähernd so schnell wie er. Seine
Betäubungspistole trifft mich in die Beine, und im selben Moment
sind sie weg, verschwunden, ich kann sie nicht mehr spüren. Und
ich liege flach auf der Betonstufe vor dem Haus. Meine Beine! Ich
brauche meine Beine, ich kann nicht tanzen ohne Beine…!
    »Es reicht, Halleck!

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