In grellem Licht
hinauf und sind dann kurz im
Freien. Ist ziemlich windig draußen, Sir. Machen Sie sich
darauf gefaßt.«
»Maggie…«, sagte ich ins Leere.
»Maggie…«
»Ich bin hier, Liebes. Ich bin hier.«
»Gleich haben wir’s, Sir, nur noch ein kurzer Schwung
nach oben in die Mühle… Ed, schnall ihn an…«
»Maggie… warum jetzt? Warum ausgerechnet jetzt diese
Rettung in letzter Sekunde?«
»Weil irgendwann irgend jemand auch mal gewinnen muß,
Schatz!« strahlte Maggie. »Manchmal greift der
Allmächtige ein.«
Aber das war es nicht, was ich gemeint hatte.
Ein Großteil der Reise zog nur vage an mir vorüber. Ich
nehme an, die Sanitäter haben mir ein Schlafmittel
verpaßt. Ich erinnere mich nicht an den Flug über den
Atlantik oder an die Landung in Paris. Nur sehr undeutlich entsinne
ich mich der rasenden Fahrt in einer französischen Ambulanz, und
das vermutlich nur deshalb, weil das Folgetonhorn anders klang als
bei uns. Den Gesprächen hätte ich vielleicht sogar folgen
können, wenn sich die Welt nur einen Moment lang langsamer
gedreht und mir Zeit gelassen hätte, einen klaren Gedanken zu
fassen.
Wieder ein Krankenhaus, wieder ein Zimmer darin. Maggie,
getreulich und müde an meiner Seite; sie roch, als würde
sie ein Bad brauchen. Untersuchungen, Scans, Arzneipflaster. Und dann
Schlaf.
Aber nur kurz. Ich wachte abrupt auf, und im Zimmer war es
dämmrig. Anscheinend ist das Nachtlicht in Krankenhäusern
auf der ganzen Welt gleich. Oder vielleicht war es nur meine
Fast-Blindheit…? Maggies Gestalt in einem Sessel neben dem Bett;
sie schnarchte leise.
Ich weckte sie nicht. Ich tappte nach der Ruftaste und
drückte. Statt eines Programmes kam eine lebende Schwester zur
Tür herein – etwas, das sich eine amerikanische Klinik nie
hätte leisten können. Sie war ein verwischter weißer
Fleck.
»M’sieur?«
»II me faut téléphoner.«
»Non, non! Pas de téléphone!«
»Oui! Un téléphone, maintenant!« Ich sprach leise, um Maggie nicht mit hineinzuziehen – die
nicht zugelassen hätte, daß ich selbst mich hineinzog.
»Non.« Ihr Tonfall war bestimmt. Aber
freundlich.
»Alors, vous…l Téléphonez vous à
man fils John…« Ich merkte, wie meine Kraft
nachließ. »S’il vous plaît! Pour
l’amour de Dieu!«
Ich weiß nicht, weshalb ich das hinzugefügt habe.
Irgendein vergessener Nachhall melodramatischer französischer
Literatur vielleicht… Ich konnte nicht klar denken. Aber die
Schwester rückte näher und sagte leise, ein Flüstern
in der Dunkelheit: »M’sieur? Vous êtes
chrétien? Je téléphonerai à votre
fils!«
Ich war sicher, sie würde es tun. Mit Mühe preßte
ich hervor: »Téléphonez 301-555-7986…
Dites à John: >Allez à 593 Skinner Street… rue
Skinner… Billy Mc-Cullough… pour l’enfant… pour
l’enfant pour Laurie<…«
Unmöglich, daß sie das alles behalten konnte, alle
diese Zahlen. Und ich konnte es nicht wiederholen. Die Medikamente
warfen mich von neuem nieder, die Medikamente waren der Grund,
daß ich John überhaupt anrufen wollte… Laurie konnte
nicht zu Billy McCullough gehen, das war zu gefährlich. John
mußte es tun… Nein, John konnte das nicht, mein Sohn war
völlig untauglich dafür… Ich konnte nicht nachdenken.
Das Zimmer glitt unter mir weg. »Mam’selle…
s’il vous plaît…«
»Restez tranquille, m’sieur. Dormez.«
John würde mit der Situation nicht umgehen können…
Alle diese Zahlen… Hatte ich sie überhaupt auf
Französisch gesagt? Ich war nicht sicher…
»Dormez!«
Ich schlief ein.
16
SHANA WALDERS
Unvermutet beschleunigt der Wagen, so als wären wir in eine
Schnellstraße eingebogen. Ich zerre hektisch an meiner Kette,
aber ich kann sie nicht aus der Verankerung reißen. Das
Klebeband über meinem Mund sitzt so fest, daß ich nicht
mal das kleinste Geräusch machen kann. Ich kann nichts tun
außer dahocken wie ein totes Stück Fleisch.
Ich habe solche Angst, daß meine Backenzähne
klappern.
»Nun?« sagt Emily Jogerst zu dem Kerl, der vor dem
Computer sitzt und auf den Bildschirm starrt, »hat der
Erkennungsdienst ihren Scan?«
»Duffy hat noch nicht geantwortet… Warte mal, da
kommt’s jetzt. Jawohl, er hat sie gefunden! Sie heißt
Shana Walders. Verschlußakte des Jugendgerichts, eine Festnahme
wegen Diebstahls, freigelassen mit einer Verwarnung… Junge,
Junge, sieh mal einer an!«
»Was ist?« fragt Jogerst. »Angeklagt wegen
unbefugtem Eindringen, tätlichem Angriff und versuchtem
tätlichem
Weitere Kostenlose Bücher