In grellem Licht
beträchtliches Geld. Sie
wollen dastehen und bravo! rufen und sehen, wie Sarah und
Caroline ihre Rosensträuße entgegennehmen – mit einem
Wort, die komplette Show. Und so wage ich es einfach nicht, den Ruf
vor den Vorhang in Kostüm und Make-up zu schwänzen. Ich
wage es einfach nicht.
Also ist es fast sechs Uhr abends, als ich bei Doktor Clementis
Haus in Bethesda eintreffe. Ich klingle minutenlang, aber niemand
reagiert, nicht einmal das Haussystem. Schließlich benutze ich
den Duplikatschlüssel, den Shana mir gegeben hat, und trete ein.
Ich sehe in der Bibliothek nach, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer der
Clementis, in Shanas Zimmer. Aber ich finde weder eine
handgeschriebene Nachricht noch eine aufgezeichnete, nichts, was
Shana erklären würde, wo Herr Doktor Clementi und Frau
hingegangen sind oder wann sie zurückkehren würden.
Mir will absolut nichts einfallen, was ich jetzt tun könnte,
also tue ich gar nichts. Ich sitze in der Bibliothek und warte.
Irgend jemand muß doch irgendwann mal heimkommen!
Und was passiert inzwischen mit Shana?
Ratlos drücke ich schließlich den Vid-Knopf, neben dem
>Laurie Clementi< steht. Das ist die Person, als die Shana
momentan auftritt. Aber natürlich habe ich keine Ahnung, wie ich
Laurie erklären könnte, wer ich bin oder wieso ich
mich im Haus ihres Schwiegervaters befinde. »Bitte hinterlassen
Sie eine Nachricht«, sagt eine Computerstimme. »Vielen
Dank.« Ich unterbreche die Verbindung.
Ich weiß nicht, wen ich sonst noch anrufen könnte. Mit
Ausnahme der Menschen in Aldani House und Frau Doktor Newell erinnere
ich mich an keine Seele auf der Welt.
Das Telefon klingelt. Das Haussystem meldet sich, und dann
erklingt Doktor Clementis Stimme, Gott sei Dank. »Téléphonez 301-555-7986… Dites à
John: >Allez à 593 Skinner Street… rue Skinner…
Billy McCullough… pour l’enfant… pour l’enfant
pour Laurie<…«
Warum spricht Doktor Clementi französisch? Und zu wem? Nicht
zu John – er beauftragt jemand anderen, John anzurufen.
»Wiederholung«, sage ich, obwohl ich die Worte schon beim
erstenmal verstanden habe. Französisch ist eine der Sprachen,
die ich kann, wenn ich auch nicht weiß, woher. Das System
wiederholt die Nachricht, und auch jetzt ergibt sie keinen Sinn.
Wer ist Billy McCullough? Weiß er, wo Shana sich jetzt
befindet? Bei John Clementi ist niemand zu Hause, dort habe ich ja
gerade angerufen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr: 19:02.
Vonnöten wäre, die Polizei zu dieser Adresse in der
Skinner Street zu schicken, denn wenn >Billy Mc-Cullough< etwas
mit dem Baby für Laurie Clementi zu tun hat, dann könnte er
auch etwas mit Emily Jogerst zu tun haben. Aber ich kenne niemanden
bei der Polizei; ich kenne überhaupt niemanden. Und Shana sagte
mir, daß die alte Dame, die sich nach der Galavorstellung in
New York mit mir unterhalten hat, in Wahrheit eine FBI-Agentin ist.
Und auch, daß die Polizei mich zwar aus den Händen der
Leute, die mich entführt hatten, gerettet hat, dann aber die ganze Sache unter den Tisch kehrte, ohne daß eine
strafrechtliche Verfolgung stattfand. Man schützte die
Verbrecher. Wem von der Polizei kann ich vertrauen? Überhaupt
jemandem?
Ich weiß nichts, gar nichts. Es wurde alles
ausgelöscht. Und ich habe diese Unwissenheit selbst
gewählt, um nicht mit dem leben zu müssen, was man mir
angetan hat. Doch der unbekannten Vergangenheit bin ich dennoch nicht
entgangen. Hier ist sie und stürzt von allen Seiten auf mich
ein.
Alles, was diese Operation zustandebrachte, war die Tilgung jenes
Wissens, das mir jetzt geholfen hätte. Ich habe mich selbst
verstümmelt. Ich selbst. Oder war nicht wirklich ich es, der
sich für die Operation entschied? Ich weiß es nicht. Ich
kann mich nicht erinnern.
In plötzlicher Wut aktiviere ich das Vid-System und lasse
eine Nachricht bei Laurie Clementi zurück, direkt hinter der
ihres Vaters: »Doktor Clementi, ich bin Cameron Atuli. Ich bekam
soeben Ihre Nachricht, die französische, an John. Er ist nicht
daheim und er ist auch nicht in Ihrem Haus, wo ich jetzt bin. Shana
ist verschwunden. Also werde ich persönlich zu Billy McCullough
gehen und ihm davon berichten, daß Sie sagten…«
– Was? Ich weiß nicht, was für eine Art von dunklem
Baby-Geschäft für Laurie Clementi ausgehandelt wurde, nur
daß es selbstverständlich geheim bleiben mußte. Aber
das ist alles, was ich habe, um diese Leute davon abzuhalten, Shana
etwas anzutun – »… daß Sie sagten, Shana
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