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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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merkwürdigerweise war ich gar
nicht so sehr überrascht. Vielleicht hatte ich ihn sogar
irgendwo in meinem Unterbewußtsein erwartet. Oder vielleicht
erschien mir einfach Überraschung genau wie alles andere
sinnlos.
    »Hallo, Maggie! Nick, ich bin extra herübergeflogen, um
mit dir zu sprechen. Maggie, du kannst ruhig dableiben, ich
weiß, daß Nick dir früher oder später ohnehin
alles erzählen wird.«
    Maggie nach dieser Äußerung zum Gehen zu bewegen,
wäre schwieriger gewesen als Gibraltar zu versetzen. Ihr
grünes Kleid ruckte ein wenig hin und her und zog sich dann
Richtung Stuhllehne zurück. Ihre Miene entzog sich damit meinem
Gesichtsfeld. Ich konnte auch Vans Miene nicht sehen, aber die
Silhouette seines massigen Körpers schien sich verändert zu
haben. Er stand gebeugt, und seine Schultern hingen herab. Ich war
mir nicht sicher, aber ich glaubte zu erkennen, daß seine
rechte Hand zitterte. Stress? Krankheit? Oder bloß das
Alter?
    Alles, woran ich denken konnte, war das Alter.
    »Was hat Nick mir verheimlicht, Van?« fragte Maggie.
»Und warum?«
    Müde sagte ich: »Er hat dir verheimlicht, daß
diese klinischen Tests nicht einfach zufällig bekannt wurden,
als ich zufällig in extremis war. Nicht wahr, Van? Das
wäre denn doch ein zu auffälliges Zusammentreffen
gewesen.«
    Van sagte nichts. Er trat näher an mein Bett heran.
    »Als Leiter der Arzneimittelbehörde«, sagte ich,
»wußtest du nur zu genau, daß dieses experimentelle
Medikament in Paris getestet wurde. Und du wußtest – weil
du alle Hebel in Bewegung gesetzt hast, um es zu erfahren –,
daß ich wegen Mukor-Mykose in Behandlung war. Aber du hast erst
dann meinen Transport hierher arrangiert, als du mich aus dem Land
haben wolltest.«
    Maggie erhob sich halb von ihrem Stuhl und setzte sich wieder hin.
Vans gebeugte Gestalt fiel schwer auf einen Stuhl am Fußende
des Bettes. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck immer noch nicht
erkennen.
    »Versuch mich zu verstehen, Nick«, sagte seine sonore
Stimme, »die ungewöhnlich hohe Erfolgsrate des
Mukor-Mykose-Medikaments wurde erst vor einigen Wochen
bestätigt. Dieses Detail war wirklich reiner Zufall. Du
weißt, wie das bei klinischen Tests so geht: Die neuen
Medikamente sind für gewöhnlich nur geringfügig
wirksamer als diejenigen, die zuvor eingesetzt wurden. Bevor ich
diese Resultate auf dem Tisch hatte, war die Wahrscheinlichkeit hoch,
daß du nur eine weite Reise machen und zusätzliche
Schmerzen auf dich nehmen würdest, um dann trotzdem zu sterben.
Es ging nicht um die Entscheidung, dein Leben zu retten oder dich
sterben zu lassen. Es ging darum, entweder dein Sterben zu
verlängern oder dich möglichst rasch hinübergleiten zu
lassen. Das dachte ich wenigstens.«
    »Und du wolltest mich >möglichst rasch
hinübergleiten lassen<. Du wolltest mich so schnell wie
möglich im Koma sehen! Warum, Van?«
    Ich hatte keine Antwort erwartet, aber sie kam, und ich erhielt
wieder einmal einen kurzen Einblick in die gewaltigen
Widersprüchlichkeiten dieses Mannes, die inneren Kriege, die er
sein ganzes kompliziertes Leben lang geführt haben
mußte.
    »Ich wollte, daß es rasch geht, um zu verhindern,
daß du über Shana Walders, Cameron Atuli oder Billy
McCullough Nachforschungen anstellst.«
    Zum erstenmal fiel mir auf, daß die Tür meines Zimmers
geschlossen war. Keine Krankenschwestern kamen und gingen. Meine
physikalische Therapie war überfällig, aber kein
französischer Krankenpfleger in fröhlichem Rot-Blau war
gekommen, um mich zu den Apparaten zu fahren. Van hatte für
dauerhafte Ungestörtheit gesorgt. Um das zu bewerkstelligen,
mußte er über beträchtliche Autorität
verfügen. Und über beträchtliche Motivation, um in
seinem Zustand – wodurch auch immer dieser hervorgerufen wurde
– den Atlantik zu überqueren.
    »Du weißt, weshalb ich mich an Billy McCullough gewandt
habe«, sagte ich langsam. »Du weißt es, weil deine
ganze Behörde weiß, was die Leute treiben, die die
Vivifaktionen durchführen. Die Schimpansen, die
Entführungen… alles. Du weißt es. Du erlaubst
es.«
    »Nicht die Entführungen! Selbstverständlich nicht
die Entführungen! Und du mußt begreifen, daß wir nichts von alldem wissen, nicht offiziell! Wir verhandeln nie
direkt mit diesen Leuten. Wir vergeben unsere Aufträge an
unabhängige Prüflabors, und…«
    »Und die beauftragen die illegalen Vivifaktions-Labors. Und
wenn ihr es entdeckt, dann gebt ihr euch alle Mühe wegzusehen.
Die ganze

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