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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Regierung gibt sich alle Mühe wegzusehen. Das ist der
eigentliche Grund, weshalb Shana Walders’ Bericht über die
Schimpansen mit Atulis Gesicht vom Beirat unter den Teppich gekehrt
wurde! Deshalb hat das FBI so bereitwillig Atulis retrograde
induzierte Amnesie gestattet! Mein Gott!«
    »Nick…!« sagte Vans Stimme flehentlich.
    »Aber warum? Warum, Van? Es kann doch nicht sein, daß
Präsident Combes all das toleriert, nur um… weiß Combes überhaupt davon? Der Gesundheitsminister? Das Zentrum
für Seuchenkontrolle?«
    »Ich kann keine dieser Fragen beantworten«, sagte Van.
Maggie saß da wie eine Statue, ein regloser verschwommener
grüner Fleck.
    Ich sagte: »Natürlich wissen sie davon. Inoffiziell.
Deshalb kamen sie Sallie so rasch auf die Spur und reagierten so
hart, als sie Atulis Namen aufrief…«
    »Das wird in Ordnung gebracht«, warf Van ein.
»Sallie bekommt ihren alten Posten zurück. Irgend jemand
hat zu überstürzt gehandelt.«
    »Weißt du eigentlich, was du da eingestehst, Van?«
preßte Maggie hervor, und da erwachte Van plötzlich zu
neuem Leben, er war wieder der alte Van. Nein – ein junger Van.
Er hob die rechte Hand, und das Zittern war verschwunden. Er erhob
seine volltönende Stimme mit ihrer Wortgewaltigkeit, die
kampfbereite Straßen besänftigte, Diskutanten in Harvard
überzeugte, Siege vor Gericht einbrachte und totgefahrene
Regierungsverhandlungen wieder in Schwung brachte. Die Rhetorik
setzte er ganz ohne Absicht ein; Worte waren seine natürlichen
Waffen und sein natürlicher Schutzschild.
    »Ja, Maggie – ich weiß, was ich eingestehe. Die
Duldung von Gesetzesbrüchen. Mehr als das – die Duldung des
Bösen. Ich will es nicht beschönigen. Du mußt
verstehen, ich glaube an das Böse; ich habe genug davon in
meinem Leben gesehen, das, wie ich manchmal meine, schon zuviel
gesehen, zu lange gewährt hat. Ich bekenne, daß ich die
illegale Vivifaktion geduldet habe. Ich bekenne, daß ich
wegsehe, wenn diese Leute Böses tun. Ich bekenne, daß ich
sie geschützt habe. Ich bekenne, daß ich alles in meiner
nicht unbeträchtlichen Macht Stehende getan habe, um meine
Regierung soweit zu bringen, daß man sie duldete, wegsah, wenn
sie Böses taten, und sogar schützte. Ja – daß
man brutale Verbrecher schützte! Und weißt du,
warum, Maggie? Weißt du, warum?«
    War ihm überhaupt bewußt, daß er nur sie zu
überzeugen versuchte, und nicht mich? Daß er sie umwarb
wie eine TV-Kamera oder eine Wahlversammlung? Ich glaube nicht,
daß es ihm bewußt war. Aufgewühlt, gewunden,
manipulativ und zutiefst aufrichtig war er einfach in voller
Fahrt.
    »Du fragst dich, Maggie, warum sollte der Leiter der
Arzneimittelbehörde tatenlos zusehen, wie diese
Mißachtungen des Vivifaktions-Gesetzes überhandnehmen?
Warum sollte Vanderbilt Grant das tun? Warum sollten es all die
Menschen tun, die er dazu gebracht hat? Doch nicht deshalb, um ein
paar hundert kinderlosen Paaren Schimpansen oder Welpen mit dem
Gesicht eines Ballettänzers zu verschaffen. Doch nicht deshalb,
um die Scheinwerfer der Medien von alternden Matronen fernzuhalten,
die sich neue Gesichtshaut aus ihren relativ unverbrauchten
Bauchzellen züchten lassen. Und auch nicht, um dem
Babyschwarzmarkt eine ungehinderte Geschäftstätigkeit und
ein Umgehen der Gen-Pool-Vorschriften zu gestatten. Nein, nicht
deshalb.«
    Ich lag in meinem Bett und beobachtete ihn fasziniert, obwohl ich
ihn nicht deutlich sehen konnte. Van war aufgestanden und schritt
jetzt auf und ab, aber >auf und ab schreiten< ist vielleicht
eine unzureichende Beschreibung. Er war wie ein Geysir, gerade noch
am Ausbrechen gehindert von dem engen Raum, in dem er sich
befand.
    »Maggie, meine Behörde duldet und schützt diese
Vivifaktions-Labors – Vanderbilt Grant duldet und
schützt sie –, weil sie die einzigen sind, die sich mit
jenen grundlegenden Forschungen auf dem Gebiet der Genetik befassen,
die der Spermienzahl-Krise an der Wurzel Herr werden könnten.
Sie sind die einzigen, die diese Forschungen überhaupt
durchführen können! In unseren Bestrebungen, das
amerikanische Volk zu schützen, haben wir jegliche
Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der DNA mit Vorschriften,
Einschränkungen und Verboten abgewürgt – und obendrein
alle Finanzierungen eingestellt. Das mußten wir tun, es
gibt einfach kein Geld dafür. Unsere Landsleute werden vom Geist
ängstlicher Vorsicht beherrscht. >Nur nichts aufs Spiel
setzen! Wir haben schon viel zuviel verloren!

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