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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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müde. Wiedersehen,
mein Sohn.« McCullough hatte wohl eine ganze Weile in dem
Restaurant auf mich gewartet, ehe er ging. Ich würde ihn wieder
kontaktieren und die ganze Sache noch mal anfangen müssen, wenn
ich nach Hause kam. Falls ich es wollte. Und das sollte ich, denn
jedesmal, wenn Laurie über Vid anrief, sah ich die
verhärmte Blässe ihres Gesichts, das ganze Elend, das
daraus sprach, und die Sehnsucht, die sie zu verbergen trachtete,
nach einer Mutterschaft. Sie hatte noch mehr abgenommen; ihre
Wangenknochen und die Schlüsselbeine traten hervor wie
Meißel. Ich wußte, ich sollte McCullough eine Nachricht
senden, daß ich immer noch interessiert war, aber irgendwie
konnte ich nicht die emotionale Energie aufbringen.
    »Setzen wir uns doch draußen auf die Bank«, sagte
Maggie, die scharfen, besorgten Augen auf mich gerichtet.
»Irgendwelche prachtvollen roten Blumendinger stehen in voller
Blüte.« Maggie war eine begnadete Gärtnerin, aber von
genetischer Botanik hatte sie keine Ahnung.
    »Geh nur, Liebling«, sagte ich. »Ich glaube, ich
brauche ein kleines Schläfchen.« Und so würde ich im
Bett liegen, so tun, als ob ich schliefe, um jedem Gespräch aus
dem Weg zu gehen, und mich verabscheuen, weil ich nicht zu
schätzen wußte, was mir zurückgegeben war.
    Und was war mir zurückgegeben?
    Ich war alt. Das hatte sich nicht geändert. Die Alten
mußten darauf gefaßt sein zu sterben, und ich hatte mit
dem Tod längst meinen Frieden gemacht. Doch nun gab es keinen
Tod – zumindest noch nicht. Ich hatte in meinem Inneren eine
Schlacht geschlagen und den Frieden erlangt, und nun stellte sich
heraus, daß ich meinen Sieg über einen Feind errungen
hatte, der gar nicht auf dem Schlachtfeld erschienen war.
    Und früher oder später mußte ich alles noch mal
durchmachen.
    Ich war nicht deprimiert. Ich war wütend. Ich hatte
den Tod akzeptiert, aber der Tod hatte mich nicht akzeptiert,
und ich wußte nicht, ob ich noch einmal die Courage aufbringen
würde, mich dem Feind mit Würde und Anstand zu stellen. Es
alles noch mal zu machen…
    Und alle rannten herum und riefen: »Ist es nicht
wunderbar?« und jeder vernunftbegabte Mitmensch mußte dem
beipflichten. Im letzten Moment vor einer tödlichen Krankheit
gerettet. Den Fängen des Todes entrissen.
    Nur um von ihnen erneut gepackt zu werden, und das wahrscheinlich
bald, denn ich war nach wie vor alt, und meine Zeit ging zu Ende.
Aber das konnte ich niemandem sagen, nicht einmal Maggie. Es klang zu
undankbar, zu platt, zu weinerlich. Alles, was ich tun konnte, war,
mit geschlossenen Augen im Bett zu liegen oder beim Fenster
hinauszustarren und zu wissen, daß ich in meiner ganzen
menschlichen Verdrehtheit nun größere Angst vor dem
Sterben verspürte als zu der Zeit, als ich den Tod
tatsächlich vor Augen gehabt hatte.
     
    »Docteur Bourdeloue, je voudrais rentrer chez
moi.«
    Der Arzt lächelte – wahrscheinlich weniger über
meinen Wunsch, nach Hause zurückzukehren, als über meinen
Akzent. »Pourquoi?«
    »Parce que… seulement parce que.« So
eben.
    Aus seinem Schweigen hörte ich Enttäuschung heraus. Sein
Wunder hatte mich nicht in ausreichende Hochstimmung gebracht. Doch
schließlich sagte er philosophisch: »Oui. Ce n’est
pas défendu. Rentrez chez vous.«
    »Ich kann nach Hause«, sagte ich zu Maggie.
    »Möchtest du schon?«
    »Warum nicht?« Jetzt, da der Doktor sich einverstanden
erklärt hatte, war es mir gleichgültig. Wie alles
andere.
    »Möchtest du lieber nicht nach Hause?«
    »Warum nicht?« sagte ich und versuchte zu lächeln.
Sie saß dicht genug an meinem Bett, daß ich ihren
Gesichtsausdruck erkennen konnte: sie lächelte nicht
zurück. Ihr Kleid war grün, ein giftiges Grün, eine
Farbe, die Maggie nie trug. Sie mußte sich in Paris neue
Kleider gekauft haben, buntere Kleider, damit ich ihren Bewegungen
leichter folgen konnte. Ihre Stimme klang stahlhart.
    »Okay Nick, raus damit.«
    »Maggie… setz mir nicht so zu.«
    »Das habe ich bisher nicht getan«, sagte sie. »Aber
jetzt muß es sein. Was ist los? Irgend etwas verheimlichst du
vor mir.«
    »Nein, ich… nein.«
    »Lüg mich nicht an, Nick! Ich habe dich fast verloren,
und jetzt habe ich dich zurückbekommen, also wag es nicht, mich
wegzustoßen, indem du mich anlügst! Was verheimlichst du
vor mir?«
    »Scheint, als würde er dir eine ganze Menge
verheimlichen«, sagte eine tiefe volle Stimme von der Tür
her.
    Vanderbild Grant.
    Maggie zuckte zusammen, aber

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