Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
Vom Netzwerk:
dass etwas fehlte. Dass sie die wichtigste Frage noch nicht gestellt hatte. Sie kam aber zu keinem Ergebnis und beschloss, mit Punkt 1 anzufangen. Und mit May. May hatte die ganze verdammte Geschichte angestoßen, nun sollte sie Cara auch helfen, Klarheit in die Sache zu bringen. »Jetzt will ich es wissen«, murmelte Cara.
    Den Tratsch wollte sie wissen, die Gerüchte und den Klatsch. Mit welchen Schülerinnen Tom in Verbindung gebracht wurde, wem er angeblich das Herz gebrochen hatte.
    Sie stellte fest, dass sie nicht einmal Mays Handynummer hatte, also schrieb sie ihr eine E-Mail. Ruf mich unbedingt mal an, ich muss dich was fragen.
    Nachdem sie die Mail versendet hatte, schrieb sie alle sechs Namen auf das Blatt. May, Jacky, Viola, Julia, Ronja, Helena. Bis May sich bei ihr meldete, würde sie sich auf die anderen konzentrieren. Würde eine nach der anderen aufsuchen und ausquetschen. Samstagnacht hatte außer May keine von ihnen ein schlechtes Wort über Tom verloren. Aber am Samstag war ja auch Helena dabei gewesen. Wenn Cara allein mit ihnen sprach, würden sie vielleicht mehr erzählen.
    Sie durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sie musste in alle Richtungen denken. Das war das Entscheidende. Die Polizei hatte sich auf Helena eingeschossen, das durfte Cara nicht passieren. Dass sie sich auf eine Lösung, auf einen Täter festlegte und alle anderen Möglichkeiten übersah.
    Wer fragt, bekommt Antworten. Aber vielleicht gefallen sie dir nicht, diese Antworten.
    Und wenn Helena es doch war, dachte Cara. Was ist, wenn ich bohre und forsche und immer tiefer grabe und am Ende stoße ich auf Helena?
    Meine Schwester, eine Mörderin.
    Das war das Risiko, das sie eingehen musste. Dass am Ende ihrer Suche nur diese Antwort stand.
    Und wenn es so ist und es ist die Wahrheit, dann müssen wir damit leben, dachte sie. Und das werden wir auch.
    Als sie in die Küche ging, um Kaffee zu machen, fiel ihr plötzlich Isy ein. Ob sie überhaupt schon gehört hatte, dass Tom ermordet worden war und Helena im Gefängnis saß? Wahrscheinlich hatten ihre Eltern oder eine der anderen sie informiert. Oder Helena selbst hatte sie angerufen, bevor man sie verhaftet hatte.
    Cara überlegte, ob sie ihr trotzdem schreiben sollte. Isy machte sich bestimmt wahnsinnige Sorgen um Helena.
    Isabella von der Stein – das war ihr richtiger Name. Aber Isy passte viel besser zu ihr. Isy, das klang lustig und niedlich – und das war Isy auch. Sie hatte dunkelbraune Locken und war einen halben Kopf kleiner als Helena und alles an ihr war üppig und prall. Ihre Lippen, ihre Brüste, ihr Po. »Ich nehme schon zu, wenn ich ein Stück Torte nur anschaue«, hatte sie sich immer bei Helena und Cara beklagt. »Irgendwann ende ich noch als Elefant.«
    »Na klar«, meinte Helena dann. »Du bist ja jetzt schon fettleibig. Deshalb rennen die Männer auch immer schreiend weg, wenn sie dich sehen.«
    Die Jungen waren verrückt nach Isys Kurven. Schon in der Unterstufe hatte sie sich vor Verehrern nicht retten können. Allerdings konnte sich auch die dünne Helena nicht über einen Mangel an Aufmerksamkeit beklagen.
    Cara schrieb eine E-Mail.
    »Liebe Isy. Bestimmt hast du schon gehört, was passiert ist. Wir sind alle total schockiert. Natürlich ist Helena unschuldig, das wird sich auch bald herausstellen. Und sobald sie frei ist, kommen wir dich in Boston besuchen – damit sie wieder auf andere Gedanken kommt. Okay? Wenn du möchtest, können wir mal skypen. LG Cara.«
    Sie drückte auf Senden. Die Mail verschwand mit einem zischenden Geräusch im Äther. Cara schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie im Flugzeug nach Los Angeles saß und neben ihr saß Helena. Mit einem dicken Babybauch.
    Wir schaffen das, dachte sie.
    Ronja wohnte ein paar Straßen weiter. Obwohl sie in Krefeld studierte, lebte sie noch bei ihren Eltern. Cara beschloss, einfach bei ihr vorbeizugehen. Vielleicht war sie ja zu Hause.
    Als sie das Haus verließ, schoss eine junge Frau auf sie zu. »Niederrhein-TV. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
    »Ich möchte nicht mit Ihnen reden.« Cara senkte den Kopf, starrte auf ihre Füße und sah aus dem Augenwinkel einen Mann, der aus einem Auto ausstieg, das auf dem Bürgersteig parkte. Und jetzt eine Kamera auf Cara richtete. »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Wir zahlen auch ganz gut«, erklärte die Frau. »Lassen Sie es sich doch wenigstens mal durch den Kopf gehen …« Sie streckte Cara eine Visitenkarte

Weitere Kostenlose Bücher