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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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ins Restaurant, gab es Fisch und Meeresfrüchte, aber Cara hasste Fisch und Meeresfrüchte, also aß sie zwei Wochen lang abwechselnd Pommes und Kartoffeln mit Salat. »Du weißt ja gar nicht, was dir entgeht«, hörte sie ihren Vater wieder sagen, bevor er eine Garnele in der Mitte auseinanderknackte oder eine Muschel ausschlürfte oder einen Fisch köpfte.
    Im ersten Jahr nach der Trennung waren sie zu dritt an die Ostsee gefahren, es hatte von morgens bis abends geregnet, ihre Mutter hatte sich jede Nacht in den Schlaf geweint und Helena war genervt, aber für Cara war es der absolute Traumurlaub.
    »Und du?«, fragte sie Vitali jetzt. »Erzähl mir jetzt bloß nicht, dass du das Meer noch nie gesehen hast.«
    »Doch«, sagte Vitali. »Auf Bildern. Im Fernsehen. Aber ich war noch nie da. Früher sind wir in den Ferien immer nur nach Russland. Und als ich älter war, hab ich mit dem Snowboardfahren angefangen, da war im Sommer kein Geld für Strandurlaub und so.«
    »Ich fahr mal mit dir ans Meer«, sagte Cara, und dann hielt sie den Atem an, weil sie selbst nicht glauben konnte, was sie gesagt hatte. Weil sie es am liebsten wieder zurückgenommen hätte, aber das ging nicht, der Satz war nun einmal in der Welt und schwebte vor ihnen in der Luft wie eine riesige schillernde Seifenblase.
    »Das wäre schön«, sagte Vitali leise und andächtig.
    Aus irgendeinem Grund nahmen sie nicht den direkten Weg nach Hause, sondern schlenderten am Park entlang. Vermutlich war der Sonnenuntergang daran schuld, der Himmel leuchtete jetzt wie eine Kitschpostkarte und machte einen ganz schwindlig.
    Cara wusste, dass Vitali gerne den Arm um ihre Schulter gelegt hätte und wusste auch, dass sie das gar nicht gestört hätte. Im Moment jedenfalls nicht, aber morgen schon. Außerdem musste er ja sein Fahrrad schieben.
    »Weißt du schon, wann du das nächste Mal zu Helena darfst?«, fragte Vitali.
    »Ich hab einen Besuchsantrag für nächste Woche gestellt. Aber vielleicht muss ich auch zwei Wochen warten«, sagte Cara. »Hoffentlich ist sie bis dahin wieder raus.«
    Er nickte.
    »Was ist mit Sergej?«, fragte Cara. »Besuchst du ihn wirklich jede Woche?«
    »Natürlich. Immer mittwochs.«
    »Wow! Marco hat recht. Du bist echt ein guter Freund.«
    »Wir sind uns ganz schön fremd geworden«, sagte Vitali gedankenverloren. »Weiß auch nicht, wie das weitergehen soll. Wie das sein wird, wenn er wieder rauskommt.«
    Cara wollte etwas entgegnen, etwas Aufbauendes, Tröstendes, Ermutigendes. Oder wenigstens etwas Nettes. Aber im selben Moment sah sie das Kopftuchmädchen. Es kam aus einem der Häuser und überquerte direkt vor ihnen die Straße. Und wandte sich ihnen dabei für einen kurzen Moment zu, sodass Cara ihr Gesicht sah.
    Sie griff nach Vitalis Arm und krallte sich so erschrocken an ihm fest, dass er überrascht stehen blieb. »Was ist denn jetzt los?«
    »Das Mädchen! Die Frau dort vorn!«, wisperte Cara leise, obwohl das Kopftuchmädchen weitergehastet und längst außer Hörweite war.
    »Was ist mit der?«
    Aber Cara antwortete nicht, sie beschleunigte ihre Schritte und merkte, dass auch die junge Frau mit dem Kopftuch immer schneller wurde.
    »Cara! Was zum Teufel … Wo willst du denn hin?«, zischte Vitali und beeilte sich, ihr zu folgen.
    »Isy«, gab Cara zurück, ohne sich zu ihm umzuwenden. »Das da vorn ist Helenas Freundin Isy.«
    Isy bog in den Park ab und rannte mit gesenktem Kopf an den Büschen und Beeten entlang, die Cara und Vitali am Tag beschnitten und bearbeitet hatten. Sie folgten ihr in einigem Abstand und suchten dabei immer wieder Deckung hinter Bäumen oder Sträuchern.
    »Bist du dir sicher, dass sie es ist?«, fragte Vitali. »Man kann ihr Gesicht doch gar nicht sehen.«
    »Ich hab sie erkannt«, flüsterte Cara. »Sie ist es, ich weiß es genau.« Und blieb abrupt stehen, weil Isy jetzt das Ende des Parks erreicht hatte und sich umsah. Sie blickte aber nicht in Caras und Vitalis Richtung, sondern suchte die Straße ab. »Was will sie hier?«, fragte Cara.
    »Hast du nicht erzählt, dass sie in Amerika lebt? Und total krank ist?«
    »Das ist ja gerade das Komische«, sagte Cara und sah, wie sich ein großer Wagen aus einer Parklücke schob und auf Isy zuglitt und wie sie die Beifahrertür aufriss und einstieg.
    »Mist!«, fluchte sie. »Sie haut ab.«
    »Soll ich mit dem Fahrrad hinterher?«, fragte Vitali, aber das war natürlich sinnlos. Der Wagen hatte das Ende der Straße schon erreicht und bog

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