In guten wie in toten Tagen
du nicht auspackst, Isy, dann mach ich dir so viel Ärger, das kannst du dir nicht vorstellen, das glaubst du gar nicht …«
»Cara!«, sagte Frau von der Stein in scharfem Ton. »Ich rufe jetzt Doktor Rauwolf an«, erklärte sie dann. »Das ist unser Anwalt.«
»Ist schon gut, Mama«, sagte Isy. »Komm erst mal rein«, meinte sie dann zu Cara und zog sie über die Schwelle und warf die Tür zu, bevor ihre Mutter eintreten konnte. Und führte Cara ins Wohnzimmer, das im Stil des großen Hauses eingerichtet war. Grauer Estrich, weiß verputzte Wände, dunkelbraune Holzmöbel. Moderne Kunst an den Wänden. Ein leuchtend roter Perserteppich auf dem Boden. Riesig, auch hier war alles viel zu groß. Isy ging zu einem breiten Sofa, auf dem ihre Bettdecke und ein Kissen lagen.
»Bist du krank?«, fragte Cara.
Isy ließ sich in die Kissen fallen und antwortete nicht. Sie sah ziemlich schlecht aus, zumindest für Isy-Verhältnisse. Ihr Gesicht war sehr bleich und schmal. Und sie hatte ein paar Pickel auf dem Kinn und auf der Stirn.
Cara setzte sich in einen Ledersessel. Durch die Fensterfront hinter dem Sofa sah man den Pool. Frau von der Stein trat gerade an den Beckenrand und zündete sich eine Zigarette an. Cara hatte den Eindruck, dass ihre Finger zitterten, aber vielleicht bildete sie sich das auch ein.
»Dann pack mal aus«, sagte sie zu Isy. »Und zwar schnell. Ich hab nämlich keine Zeit, ich müsste eigentlich bei der Arbeit sein.«
Isy lachte ein heiseres Lachen. Vielleicht fand sie die Vorstellung lustig, dass Cara arbeitete.
»Helena war bei mir in der Nacht.«
»Du meinst – nach der Party?«
Isy nickte. »Sie hat mich auf Skype angerufen. Dachte natürlich, dass ich in Boston wäre. Und am Anfang hab ich auch so getan, als ob ich dort wäre. Aber Helena war so sauer auf May und dass nun alle wussten, dass Tom mit ihr im Bett war. Und sie hat mir so leidgetan, da hab ich ihr alles erzählt.«
»Was hast du ihr erzählt? Wie lange bist du eigentlich schon hier in Deutschland?«
»Seit zwei Wochen.«
»Und? Mann, Isy, nun komm doch endlich zur Sache! Das ist kein Ratespiel, Helena sitzt im Knast, weil sie sich nicht mehr erinnern kann, was sie in der Nacht gemacht hat, in der Tom umgebracht wurde. Und du weißt ganz offensichtlich Bescheid und sagst nichts.«
»Ich konnte nicht zur Polizei«, sagte Isy. »Echt nicht.«
»Was ist passiert, Isy?«, fragte Cara. »Warum bist du in Deutschland?«
Isy schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, legte ihren Kopf darauf und blickte Cara flehend an, aber die Unschuldsnummer zog bei Cara nicht.
»Helena war hier. Sie kam so gegen halb vier. Vorher war sie noch bei Tom, hat sie mir erzählt, aber sie hat ihn nicht umgebracht.«
»Der Todeszeitpunkt lag zwischen vier und fünf Uhr morgens, sagt die Polizei«, meinte Cara. »War Helena da noch bei dir?«
»Ja. Sie ist erst gegen sechs weg. Wir haben geredet. Und getrunken.« Isy verzog das Gesicht. »Viel zu viel getrunken.«
»Helena kam aber nicht um sechs nach Hause, sondern erst nach acht. Und sie hatte eine Beule auf der Stirn und Kratzer im Gesicht.«
»Echt? Keine Ahnung, was sie noch gemacht hat. Vielleicht ist sie auf dem Heimweg irgendwo eingepennt.«
»Warum hast du sie überhaupt gehen lassen?«
»Sie wollte unbedingt nach Hause«, verteidigte sich Isy. »Und ich war doch genauso blau wie sie, ich konnte echt nicht mehr klar denken.«
»Ist ja auch egal«, sagte Cara. »Um sechs war Tom schon tot. Wenn Helena bis zum Morgen hier war, dann hat sie ein Alibi. Dann kann sie’s nicht gewesen sein, dann ist sie raus aus der Sache. Ich verstehe nur nicht, warum du nicht sofort zur Polizei gegangen bist, als du gehört hast, was passiert ist.«
Isy zuckte mit den Schultern, als fragte sie sich das Gleiche.
»Warum bist du hier, Isy?«, fragte Cara.
Isy starrte an Cara vorbei ins Leere. »Ich kann dir das echt nicht sagen, Cara. Es hat nichts mit Helena zu tun. Du musst mir einfach vertrauen.«
»Ich soll dir vertrauen?«, fragte Cara ungläubig. »So wie Helena, die dir ihr Herz ausgeschüttet hat, und als sie dich gebraucht hat, hast du sie hängen lassen? Nein, Isy, ich trau dir kein Stück. Und ich hab auch keine Lust mehr auf dein Theater. Du kannst bezeugen, dass Helena unschuldig ist, das genügt mir. Ich geh jetzt direkt zur Polizeiwache und spreche mit dieser Kommissarin …« Sie stand auf und diesmal war es keine Show. Diesmal hatte sie wirklich genug und wollte weg.
»Warte«,
Weitere Kostenlose Bücher