In guten wie in toten Tagen
wollte nicht zurück. Ich wollte, dass er mir hilft und dass es vorbei ist. Da haben meine Eltern so lange auf ihn eingeredet, bis er irgendwann nachgegeben hat. Und jetzt das. Und ich komm vielleicht auch in den Knast, wenn das Ganze rauskommt.«
»Wusste Helena davon? Ich meine, dass du schwanger warst?«
»Ich wollte es ihr bei der Hochzeit sagen. Ich hätte es ihr erzählt und hätte sie gefragt, ob sie die Patentante werden will. Aber dann ist alles anders gekommen.«
Nun hob sie ihr tränennasses Gesicht und sah Cara an. Ihre Lippen waren geschwollen und zitterten, ein Bild des Jammers, das Cara nicht rührte.
Isys Unglück war Helenas Glück.
»Ich werd den Bullen nichts erzählen«, sagte sie. »Ich meine, ich sag ihnen nichts von deiner Abtreibung und so. Das musst du mit deinem Onkel regeln und mit deinem Gewissen. Aber ich will, dass du zur Polizei gehst. Du bist die Einzige, die Helena ein Alibi geben kann. Wir können nur hoffen, dass sie dir glauben.«
»Meine Mutter hat Helena auch gesehen. Als sie am Morgen weggegangen ist. Mama schläft so schlecht, seit ich …« Isy biss sich auf die Lippen.
»Deine Mutter wusste also ebenfalls Bescheid«, sagte Cara. Und merkte, dass ihr schlecht wurde. Sie musste hier raus, wenn sie nicht sofort verschwand, dann würde sie auf den Perserteppich kotzen. Vor lauter Ekel über diese Verlogenheit und Feigheit und Isys Egoismus.
»Es hört sich vielleicht blöd an«, sagte Isy. »Aber ich weiß, dass Helena sich genauso verhalten hätte.«
»Du meinst, sie hätte dich ebenfalls im Stich gelassen?«
»In so einem Fall?« Isy lächelte traurig. »Ja.«
»Du spinnst doch«, sagte Cara und stand auf. »Du hast Zeit bis morgen früh. Wenn du bis zum Mittag nicht bei der Polizei warst, zeig ich dich an.«
»Cara«, wisperte Isy kläglich, aber dann sagte sie nichts mehr. Es war ja auch schon alles gesagt.
Im Garten wurde Cara wirklich schlecht. Sie übergab sich vor dem Swimmingpool, als sie fertig war, tat es ihr leid, dass sie nicht direkt ins Becken gekotzt hatte.
Sie schöpfte Wasser in ihre hohle Hand und wusch sich damit das Gesicht. Und wusste, dass Isy sie vom Bungalow aus beobachtete und dass Frau von der Stein vom Haus aus zu ihr herüberstarrte. Frau von der Stein, für die Helena wie ein eigenes Kind gewesen war, und nun hatte sie keinen Finger gerührt, um sie aus dem Gefängnis zu holen.
Cara verließ den Garten durch die schmale Pforte neben der Garage. Sie war nicht abgeschlossen, wahrscheinlich hatte Isys Mutter sie vorhin geöffnet, damit Cara abhauen konnte, ohne noch mal durchs Haus zu müssen.
Vor dem Haus stand der Lieferwagen und im Lieferwagen saß Vitali.
»Ich hab dir doch gesagt, dass du nicht auf mich warten sollst«, fuhr Cara ihn an, als sie einstieg.
»Ich tu aber nicht immer das, was man mir sagt.«
»Renzo rastet aus, wenn er merkt, dass wir beide nichts gemacht haben.«
»Renzo«, sagte Vitali abfällig und ließ den Wagen an. »Was hast du rausgefunden?«
Sie erzählte ihm alles. Es dauerte weniger als zwei Minuten. Drei Sätze. Eine Geschichte, die man einfach nicht begreifen konnte, ließ sich in drei Sätze packen.
»Am liebsten würde ich sofort zur Polizei gehen«, sagte Cara. »Aber ich hab Isy versprochen, dass ich bis morgen Mittag warte.«
»Wenn Isy es nicht getan hat«, sagte Vitali. »Und Helena war es auch nicht. Wer war es dann? Wer hat Tom umgebracht?«
»Keine Ahnung. Zumindest ist Helena jetzt raus aus der Sache.«
Vitali nickte nachdenklich.
»Isy ist so eine falsche Schlange«, murmelte Cara. »Sie hat behauptet, dass Helena sich genauso verhalten hätte. Das ist doch das Letzte.« Sie wollte weiterreden, aber es ging nicht, weil ihr die Stimme versagte, weil sie plötzlich weinen musste. Sie weinte aus Empörung über Isy und aus Wut, weil Helena ganz umsonst im Gefängnis gesessen hatte, und aus Erleichterung, dass der Albtraum vorbei war. Dass sie endlich wieder nach vorn schauen konnte und nicht mehr zurück.
»Ja«, sagte Vitali und nickte und schaltete vom zweiten Gang in den dritten.
»Was ja?«
»Vielleicht stimmt es ja.«
»Bitte?«
»Das, was Isy gesagt hat. Über Helena.«
»Wie kannst du so was sagen! Du kennst Helena doch gar nicht.«
»Bist du dir denn sicher, dass du sie kennst?«
»Natürlich. Sie ist meine Schwester. Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.«
»Isy kennt Helena aber auch ziemlich gut, oder? Und auch schon ziemlich lange. Und die anderen Mädels
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