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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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sagte Isy leise. »Ich erzähl’s dir. Dann wirst du mich verstehen.«
    Cara zögerte einen Moment. Dann ging sie zurück zum Sofa.
    »Ich war schwanger.«
    Schwanger, dachte Cara. Genau wie Helena. Dann fiel ihr wieder ein, dass Helena ja gar nicht schwanger war.
    »Ich hab in Boston einen Mann kennengelernt. Josh studiert Biological Engineering, das ist … ist ja auch egal, was das ist. Ich hab mich direkt in ihn verliebt und er sich auch in mich und es war alles perfekt.«
    »Ich weiß«, sagte Cara. »Helena hat mir von Josh erzählt. Aber ihr habt euch wieder getrennt.«
    »Wir haben Pläne gemacht«, fuhr Isy fort. »Josh wollte mit mir nach Deutschland ziehen. Ich wär für ihn auch in den Staaten geblieben, ich hätte alles für ihn getan. Dann war ich plötzlich schwanger.« Isy zog die Beine an den Körper, legte den Kopf auf die Knie, schloss die Augen. »Ich hab mich gefreut. Ich meine, es war uns ja ernst, wir waren ein Paar, wir waren glücklich. Es war nicht so geplant, dass wir direkt eine Familie gründen und so, aber ich dachte, was soll’s. Ist es eben so. Wenn wir uns lieben, ist es doch kein Problem.«
    »Aber Josh sah das anders«, sagte Cara.
    »Josh sah das genauso. Jedenfalls zuerst. Jedenfalls hat er mir versichert, dass er sich genauso freut. Wir haben davon gesprochen, dass wir heiraten wollten.«
    Wer hat davon gesprochen, dachte Cara. Josh oder nur du?
    »Und dann?«, fragte sie.
    »Dann war er plötzlich weg«, sagte Isy, die ihre Augen immer noch geschlossen hatte. »Ist zurück nach Seattle oder sonst wohin, ich hab keine Ahnung. Er hat mir nur einen Brief dagelassen. Sorry girl, I love you, but I’m not up to the family-business.«
    »Da bist du nach Hause«, sagte Cara. »Und dann? Was ist mit dem Baby?«
    Unter Isys geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor und liefen links und rechts über ihre Wangen und tropften aufs Sofa. Sie schüttelte den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
    »Du hast es wegmachen lassen.« Caras Stimme klang kalt und verächtlich und das gefiel ihr. Sie blickte durch das große Fenster in den Garten. Frau von der Stein war weg. Das Wasser im Pool glänzte künstlich, als hätte man eine Klarsichtfolie über das Becken gespannt. Hier hatte Helena schwimmen gelernt, hier hatten sie und Isy vor Freude gejauchzt und geschrien, während Cara allein zu Hause gesessen hatte. Als sie mit sechs immer noch nicht schwimmen konnte, hatten ihre Eltern sie zum Schwimmkurs angemeldet, und bei der Seepferdchenprüfung saß ihr Vater am Beckenrand und konnte es nicht fassen, seine große Tochter zwischen all den Zwergen, seine große Tochter, die es nicht schaffte, zum Beckenboden zu tauchen und den verdammten Ring heraufzuholen, das schafften die Kleinen doch mit links. Nur Cara nicht. Sie bestand die Prüfung erst beim zweiten Anlauf, da war ihr Vater nicht dabei.
    »Mit Josh hätte ich es gepackt«, flüsterte Isy. »Aber ohne ihn …«
    »Und deine Eltern wollten das Kind auch nicht.«
    »Sie haben sich Sorgen um mich gemacht. Und ich hab mir auch Sorgen gemacht. Cara, ich hätte das wirklich nicht geschafft mit einem Kind. Als alleinerziehende Mutter, ohne Ausbildung, ohne Studienplatz. Boston hätte ich auf jeden Fall vergessen können. Ich seh’s doch bei Jacky, wie schwierig das ist. Ich bin erst dreiundzwanzig, ich will mir doch jetzt nicht das ganze Leben vermasseln. Das kann man doch wohl verstehen.«
    »Ich verstehe gar nichts«, sagte Cara. »Vor allem kapier ich nicht, wo das Problem ist. Du hast abgetrieben, okay. Nicht so schön, aber passiert heutzutage ständig. Wenn einem ein Kind nicht ins Konzept passt, dann lässt man es eben wegmachen.«
    »Ich war aber schon im vierten Monat«, wisperte Isy.
    Im vierten Monat. Das erklärte natürlich alles. Nach der zwölften Woche konnte man eine Schwangerschaft nicht mehr so einfach beenden, es sei denn, das Kind war schwerbehindert. Oder die Gesundheit der Mutter war ernsthaft bedroht.
    »Mein Onkel ist Frauenarzt«, sagte Isy leise. »Er hat mir geholfen.«
    »Er hat das Kind abgetrieben. Obwohl du schon über der Zeit warst.«
    »Wenn das rauskommt, dann kriegt er enorme Schwierigkeiten«, schluchzte Isy. »Er verliert seine Zulassung, er muss die Praxis dichtmachen, er kommt ins Gefängnis. Das wäre eine Katastrophe.«
    »Helena sitzt schon im Gefängnis. Das ist auch eine Katastrophe.«
    »Mein Onkel wollte sich zuerst nicht darauf einlassen. Er wollte, dass ich es in den Staaten machen lasse. Aber ich

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