In guten wie in toten Tagen
gegen Helena hast«, zischte sie wütend.
Er musterte sie erstaunt. »Nichts. Was sollte ich gegen sie haben? Ich kenn sie doch gar nicht.«
»Eben.«
»Gibt’s hier Zoff?«, fragte Kalle neugierig und drängte seinen Bierbauch zwischen sie. »Worum geht’s denn? Ihr könnt Onkel Kalle ruhig alles sagen.«
»Wie machen wir das mit der Rückfahrt?«, fragte Mirko. »Wir passen nicht alle in den Wagen.«
Kalle und Mirko arbeiteten seit fünfzehn Jahren zusammen, Cara vermutete, dass Mirko höchstens ein Fünftel von dem mitbekam, was Kalle im Laufe eines Arbeitstages so von sich gab. Wenn überhaupt.
»Ich kann auch zu Fuß zurückgehen«, sagte Cara. »Sind ja nur ein paar Meter.«
»Ich komm mit«, sagte Vitali sofort.
Kalle lachte schmierig und stieß Mirko seinen Ellenbogen in die Seite, der ihn ignorierte. »Wie ihr wollt«, sagte er nur. »Dann bis gleich.«
Sie gingen schweigend los.
»Ich war gestern noch mal bei Jacky«, sagte Vitali nach einer Weile.
»Und? Wie geht es ihr?«
»Gut. Wir haben über Helena gesprochen. Ich meine, über den ganzen Fall. Dass man immer noch nicht weiß, wer Tom jetzt umgebracht hat.«
»Und? Habt ihr eine Theorie, wer’s war?«, fragte Cara spöttisch.
»Jacky meint, dass es irgendwas mit dem Junggesellinnenabschied zu tun haben muss. Liegt doch auch nahe, irgendwie.«
»Ja? Find ich gar nicht, aber wenn du meinst.«
»Diese ganzen Enthüllungen über Tom auf der Party. Ihr seid alle betrunken. Und am nächsten Morgen ist er tot. Das hängt doch irgendwie zusammen.«
»Aber ich hab doch alle überprüft. Ich glaub nicht, dass es eine von Helenas Freundinnen war. Und außerdem ist es mir auch vollkommen egal, wer Tom auf dem Gewissen hat. Ich wollte, dass Helena freikommt. Und das hab ich geschafft.«
»Diese Nachbarin«, sagte Vitali. »Vielleicht weiß die ja noch was.«
»Wer?«
»Diese komische Tante, mit der du dich als Erstes unterhalten hast.«
»Ula? Was soll die denn wissen?«
»Sie hat deine Schwester in der Tatnacht gesehen. Und sie hat Toms Leiche gefunden.«
»Ist doch gar nicht sicher, ob Ula die Zeugin war, die Helena gesehen hat. Vielleicht war es auch eine andere Nachbarin. Da wohnen schließlich noch mehr Leute im Haus.«
»Aber nicht alle sind nachts wach. Er wurde schließlich um vier Uhr morgens umgebracht.«
»Diese Ula spinnt. Komplett. Wahrscheinlich hat sie sich auch nur eingebildet, dass sie Helena gesehen hat.«
Vitali wiegte zweifelnd den Kopf hin und her. »Ich finde, dass wir uns die noch mal genauer ansehen sollten. Vielleicht hat sie ja noch etwas anderes beobachtet oder …«
»Wir? Wir sollten sie uns genauer ansehen? Sag mal, hörst du mir nicht zu? Ich hab doch gerade eben gesagt, dass es mich überhaupt nicht interessiert, wer das Ganze getan hat.«
»Ist ja schon gut«, sagte Vitali. »War ja nur ein Vorschlag.«
Aber es war nicht gut. Cara spürte, wie sich ihr Körper zusammenkrampfte, wie sie zu zittern begann. Wie die Luft um sie herum dünn wurde. Sie blieb stehen, spannte alle Muskeln an und atmete flach.
»Alles klar?«, fragte Vitali besorgt und blieb ebenfalls stehen.
Sie schüttelte den Kopf, die kleine Bewegung reichte aus, dass sie die Beherrschung über ihren Körper verlor. Ihr Arme begannen unkontrolliert zu zittern, ihre Knie wurden weich. Die Atemnot war das Schlimmste.
»Eine Tüte«, keuchte sie. »Hast du eine Tüte oder so was?«
»Musst du dich übergeben?«, fragte er.
Sie zitterte jetzt so, dass sie nicht einmal mehr mit dem Kopf schütteln konnte. Er legte einen Arm um ihre Schulter und blickte sich erschrocken um. »Dahinten ist eine Bank. Schaffst du es bis dorthin?«
Er stützte sie, die letzten Meter musste er sie fast tragen. Aber sobald sie saß, war es wieder vorbei.
»Sorry«, sagte sie atemlos. »Ich weiß auch nicht, was das war. Aber jetzt ist es okay.«
»Du hattest das letzte Woche schon«, erinnerte Vitali sie. »Auf dem Parkplatz vor dem Gefängnis.«
»Ich weiß.« Nicht nur letzte Woche. »Ich bin so furchtbar müde.«
»Müde? Dann schlaf doch.«
»Wenn das so einfach wäre.« Sie erzählte ihm von den Träumen. Von dem Fremden, der Nacht für Nacht in ihr Zimmer kam. Und sie lag da, konnte sich nicht rühren, konnte nicht um Hilfe schreien. »Das Schlimmste ist, dass es sich überhaupt nicht wie ein Traum anfühlt. Ich denke jedes Mal, dass ich wach bin. Und habe Todesangst.«
»Das ist ja der Horror, Cara. Du musst unbedingt zu einem
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