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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Meyer
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das war doch Helenas Problem. Und nicht deines.«
    »Sie ist meine Tochter. Ich liebe sie. Und ich musste mit ansehen, wie sie sich für diesen Schlaffi krummlegt und ihm alles abnimmt. Das ist doch …«
    »… unerträglich«, sagte Cara. »Du fandest das unerträglich, oder?«
    »Was ist los, Cara?«, fragte Herr Fliedner. »Was wirfst du mir vor?«
    »Nichts.« Cara schlang ihre Hände um ihre Schultern. »Ich will einfach nur verstehen.«
    »Ich wünschte, es wäre so.« Ihr Vater schloss müde die Augen und wirkte plötzlich um zehn Jahre älter, wirkte fast wie ein Greis.
    »Bitte?«
    »Ich weiß, dass ich kein guter Vater für euch war, Cara. Ich war viel zu streng. Mit euch beiden. Aber Helena hat mir noch eine Chance gegeben. Alles wiedergutzumachen. Oder wenigstens einen Teil. Und das wollte ich auch, ich wollte alles wiedergutmachen, ich wollte, dass sie glücklich wird. Und dann entscheidet sie sich für diesen Kerl. Diesen Loser. Viel zu alt, viel zu weich. Das wäre niemals gut gegangen.«
    »Woher willst du das wissen? Es war ihre Entscheidung. Es war ihr Leben. Warum kannst du uns nicht einfach machen lassen?«
    »Ich lass euch doch machen. Ich hab Helena unterstützt, ich hab ihr geholfen, wo ich nur konnte. Aber ich musste ihr doch zeigen, dass ich mir Sorgen machte.«
    »Wer hat Tom umgebracht?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich bin froh, dass Helena ein Alibi hat. Eine Zeit lang hab ich wirklich geglaubt …«
    »Ich weiß. Du warst überzeugt, dass sie es war.«
    Ihr Vater verzog das Gesicht und massierte sich die Schläfen.
    »Für dich ist die Sache eigentlich super gelaufen«, sagte Cara nachdenklich. »Tom ist tot, Helena ist frei. Alles auf Anfang.«
    »Nichts ist super«, sagte ihr Vater, ohne sie dabei anzusehen. »Du bist voller Hass. Du verabscheust mich, Cara. Egal, was ich sage, egal, was ich tue, es ist immer das Falsche.«
    Sie legte ihren Kopf gegen die Sessellehne und spürte, wie die Erschöpfung an ihr zog, wie ihr Körper schwer und schwerer wurde, und fragte sich, wie sie es jemals schaffen sollte, wieder aufzustehen. Dieses Zimmer zu verlassen.
    Sie kämpfte mit aller Macht gegen den Drang, die Augen zu schließen. Einzuschlafen.
    Mach es dir doch nicht so schwer, sagte eine Stimme neben ihr. Obwohl da niemand stand. Sie war allein mit ihrem Vater. Sie wusste sofort, dass es der Fremde aus ihren Träumen war, der mit ihr sprach.
    »Was?«, fragte sie laut.
    Und mach es ihm nicht so schwer, fuhr die Stimme in ihrem Kopf fort.
    Sie saß auf einmal kerzengerade da. Hellwach.
    »Was ist denn los?«, fragte ihr Vater alarmiert.
    »Sei still!«, fuhr sie ihn an. Und lauschte, aber der Fremde schwieg.
    Mach es ihm nicht so schwer. Sie sah ihren Vater an, blickte in sein resigniertes, hartes Gesicht und spürte zum ersten Mal seit Jahren keinen Hass und keine Wut auf ihn. Sondern Mitleid. Ihr Vater tat ihr leid.
    Er hat alles vermasselt, dachte sie. Weil er alles bestimmen und kontrollieren muss. Weil er es nicht erträgt, wenn irgendetwas nicht nach seinem Plan läuft. Bei mir und Helena. Und bei Evelyn und seinen Söhnen ist es wahrscheinlich genau dasselbe. Er fühlt sich nur sicher, wenn er alles im Griff hat.
    Und das ist sein Problem, erkannte Cara. Einzig und allein sein Problem. Ich muss mich nicht damit belasten, weil es nichts mit mir zu tun hat.
    Diese Erkenntnis machte sie so leicht und frei, dass ihr fast schwindlig wurde. »Cara?«, fragte ihr Vater misstrauisch. »Kannst du mir bitte erklären, was hier abgeht?«
    Sie lächelte ihn an. Das war so neu, für ihn und für sie selbst auch, dass es ihn noch mehr verwirrte. Ein Lächeln von Cara. Er wirkte jetzt richtiggehend besorgt.
    »Ich erkläre es dir«, sagte sie. »Aber nicht jetzt. Ich muss jetzt erst mal nach Hause und mich ausschlafen.«
    Ihre Mutter war ausgegangen. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel. »Hab eine Verabredung in der Stadt. Wird vermutlich später. Ruf mich auf dem Handy an, wenn du magst. Mama.«
    Cara setzte Teewasser auf, summte leise; als das Wasser zu kochen begann, sang sie sogar. Sie würde eine Tasse Tee trinken, dachte sie, und dann schlafen, schlafen, schlafen.
    Aber als sie den Tee aufgoss, sprang sie die Angst ganz plötzlich wieder an. Sie stellte den Kessel weg. Ihre Brust wurde eng, ihre Finger ballten sich zu Fäusten, sie rang nach Luft. Ruhig, ganz ruhig, befahl sie sich selbst, aber ihr Körper hörte nicht auf sie, ihr Körper machte, was er wollte.
    Sie holte eine Tüte, hielt

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